Fall einer Ikone

Der grösste Wirtschaftsskandal der Geschichte Indiens erschüttert derzeit die IT-Branche. IT-Pionier und Satyam-Gründer Byrraju Ramalinga Raju entpuppt sich als Milliardenbetrüger. Jetzt geht es um Schadensbegrenzung.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2009/01

     

Je höher das Pferd, auf dem man sitzt, desto tiefer fällt man. Dieser Satz trifft auf keinen indischen Wirtschaftsführer so sehr zu, wie auf Satyam-Gründer Ramalinga Raju (Bild). Nur war sein Pferd ein Tiger.
Im vergangenen Jahr war Raju auf der Höhe seiner Macht. Zusammen mit Fifa-Präsident Joseph Blatter verkündete er die Aufnahme von Satyam in die Riege der Hauptsponsoren der Fussball-Weltmeisterschaften in Südafrika und Brasilien. Mittlerweile ist sein Unternehmen bekannter, als es sich Raju jemals erträumt hätte – nur nicht so wie gewünscht. Es ist ein beispielloser Sturz. Nicht, weil der Fehlbetrag in Satyams Bilanz unermesslich hoch wäre, sondern weil Raju als bescheidener Wirtschaftsführer galt. Lange rätselte die IT-Welt, wie es Sa­tyam gelang, den Stundenansatz von rund 27 Dollar seiner indischen Konkurrenten um durchschnittlich fünf Dollar zu unterbieten und dennoch eine Umsatzrendite von 24 Prozent zu erzielen. Heute weiss man, dass es nur magere drei Prozent waren.

Vom Tiger gefressen

Erste Risse in der Fassade von Indiens viertgrösstem IT-Konzern zeigten sich in der zweiten Jahreshälfte 2008. Zuerst wurde Satyam von einem seiner grössten Kunden, der Weltbank, wegen dubioser Zahlungen an Kadermitglieder für zehn Jahre von allen Ausschreibungen ausgeschlossen.
Richtiges Stirnrunzeln löste erst die Ankündigung vom 16. Dezember 2008 aus, als Satyam die Absicht bekannt gab, die beiden Baufirmen Maytas Infrastructure und Maytas Property für 1,6 Milliarden Dollar übernehmen zu wollen. Die beiden Firmen befinden sich im Besitz der Familie Raju. Satyams Aktionäre liefen Sturm. Heute fragt man sich, was passiert wäre, wenn sie es stillschweigend akzeptiert hätten. Vielleicht wäre Satyam noch immer sieben Milliarden, anstelle von knapp 500 Millionen Dollar wert. Die auf den ersten Blick sehr fragwürdige Übernahme war nämlich Rajus letzter Versuch, seine Betrügereien und Bilanzfälschungen unter den Teppich zu kehren.


Angefangen hat alles vor sieben Jahren. Damals habe er die Bilanz Satyams aufgebläht, um feindliche Übernahmen abzuwehren. Die Lücke sei «marginal» gewesen. Doch sie wuchs von Jahr zu Jahr und habe schliesslich unüberschaubare Ausmasse angenommen. «Es war wie der Ritt auf einem Tiger. Ich wusste nicht, wie ich absteigen sollte, ohne gefressen zu werden.» Raju wollte mit einer fingierten Übernahme der Baufirmen die Lücke in der Bilanz schliessen.

Was machten die Buchprüfer?

Jetzt ist die Demontage des einstigen Helden in vollem Gang. Nach der Veröffentlichung des Geständnisses wurden er, sein Bruder und weitere Kaderleute von Satyam verhaftet. Raju sei reumütig und niedergeschlagen, wird ein Gefängniswärter zitiert.
Indessen packt der ebenfalls inhaftierte CFO Srinivas Vadlamani aus. Er sei aufgefordert worden, nicht auf Details zu achten und zu tun, was ihm gesagt werde, sagte er der Polizei. Wer schon mal Inder in Gegenwart ihres Vorgesetzten gesehen hat, glaubt durchaus, dass das ausreichte um den CFO von seiner Pflicht abzuhalten. Mehr als ein «Yes Sir! Of course Sir!» dürfte er Raju nicht entgegengestellt haben. Fragwürdiger ist die Rolle des Wirschaftsprüfungs-Konzerns Price Waterhouse Coopers (PWC). Wie die Lücke über sieben Jahre lang unentdeckt bleiben konnte, müssen die Verantwortlichen erst einmal erklären.

In seiner Heimat noch immer ein Held

In den ländlichen Gebieten Andhra Pradeshs ist Raju noch immer ein Held. Mit seiner Stiftung «Byrraju Foundation» brachte er medizinische Versorgung, sauberes Wasser, Schulen, sanitäre Einrichtungen und gutbezahlte Jobs in die Provinz. Selbst daraus versuchen ihm einige Journalisten nun einen Strick zu drehen: 95 Prozent der Aufwendungen der Stiftung sei vom Staat bezahlt worden, Raju habe sich mit fremden Federn geschmückt, lautet der Vorwurf. Dabei haben die Verantwortlichen auch im Gespräch mit IT Reseller Jahr niemals geleugnet, dass Satyam lediglich das Management und die Infrastruktur der Stiftung bezahle und der Rest vom Staat finanziert werde.


Inzwischen hat die indische Regierung das Ruder bei Satyam übernommen und schliesst auch eine Finanzspritze nicht aus. Durch rasches Handeln soll der Schaden für Indien begrenzt werden. Jetzt gilt es die Untersuchungsergebnisse abzuwarten. Sie werden zeigen, ob Ramalinga Raju nur aus Gier gehandelt hat. Es ist wie beim abtretenden amerikanischen Präsidenten George W. Bush: Die Geschichte wird über Raju richten. (Markus Gross)


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