Wenn der Traum zum Albtraum wird

Viele wünschen sich nichts sehnlicher, als vom Joch eines Angestelltenverhältnisses befreit zu sein und glauben, mit einer eigenen Firma glücklicher und erfolgreicher zu sein. Da oft die mittelmässig Begabten ihr Glück in der Selbständigkeit suchen, scheitern solche Vorhaben entsprechend häufig.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2009/05

     

Er war ein Getriebener, der es nie lange beim gleichen Arbeitgeber aushielt. Seine Unfähigkeit, Kritik zu ertragen, sowie sein überbordendes Freiheitsbedürfnis führten dazu, dass er sich mit seinen Chefs schon nach kürzester Zeit in den Haaren lag, um in der Folge bald wieder den Dienst zu quittieren. Irgendwie wusste unser Protagonist, dass er sich mit seinen vielen Stellenwechseln in eine Sackgasse manövriert hatte und es so nicht weitergehen konnte. Doch da kam ihm auf einmal eine zündende Idee: «Ich werde mein eigener Chef», sagte er sich, «dann muss ich mich nie mehr unterordnen und verdiene erst noch viel mehr Geld als früher.» Als Mann der Tat machte er sich sogleich an die Realisierung seiner Träume, mietete repräsentative Büros an bester Lage, erstellte teure Werbematerialien und schaffte sich einen statusträchtigen Firmenwagen an. Denn schliesslich sollte er als Jungunternehmer auch gegen aussen etwas darstellen.


Als Verkäufer eher mittelmässig erfolgreich, wollte er nun mit seiner Start-up-Firma so richtig Gas geben und mit wenig Aufwand möglichst viel Kohle machen. Und so begann er naiv, aber voller Tatendrang sein neues Leben als Selbständigerwerbender. Wie besessen klapperte er ehemalige Kollegen und frühere Arbeitgeber ab, um diesen seine Dienstleistungen anzupreisen. Doch viele von ihnen hatte er im Laufe der letzten Jahre derart vor den Kopf gestossen, dass sie ihm jetzt die kalte Schulter zeigten. Nachdem auch das letzte Geld aus der Pensionskasse, das er sich für den Start seiner Firma hatte auszahlen lassen, aufgebraucht war, kam nach gut einem Jahr das böse Erwachen: Mittellos und finanziell am Ende musste er seinen Traum vom eigenen Unternehmen begraben und sich wieder einen Job als Verkäufer in der IT-Branche suchen.

Der Traum, sein eigener Chef zu sein

Den Berufsalltag selber gestalten zu können und sein eigener Chef sein, ist der Wunsch vieler. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine in NZZ Online vom 26. September 2008 veröffentlich­te Studie, wonach 65 Prozent aller Schweizer, wenn sie frei wählen könnten, lieber selbständig wären, als in einem Unternehmen angestellt zu sein. Was die Risiken und der Preis dieser erworbenen Freiheiten sind, scheinen aber viele zu unterschätzen: So stellte unter anderem Rolf Meyer, Leiter des Instituts für Management und Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Solothurn Nordwestschweiz fest, dass etwa jede zweite neugegründete Firma die ersten fünf Jahre nicht überlebt. Worauf also sollte man achten, wenn man den Schritt in die Selbständigkeit wagt und welche persönlichen und fachlichen Qualifikationen sind erforderlich, damit die Firmengründung nicht in einer Pleite endet? Dazu einige Tips und Anregungen:

Niederlagen wegstecken können

Psychologen der Universität Jena kamen bei einer neulich durchgeführten Untersuchung zum Schluss, dass zum Persönlichkeitsprofil eines erfolgreichen Unternehmers vor allem Charaktereigenschaften wie Mut, Disziplin, Realismus und Selbstreflexion gehören. «Ein guter Unternehmer ist extrovertiert sowie enorm fleissig und akkurat bei der Arbeit. Er macht sich keine überflüssigen Sorgen und ist psychisch stabil.» So lässt es sich im Bericht nachlesen. Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass gerade bei einer Firmengründung der Druck, welcher auf einem lastet, enorm hoch ist. Wer hier nicht mit Beharrlichkeit und Konsequenz an sich und seine Ideen glaubt, hat schon so gut wie verloren. Zu diesem Ergebnis kommt übrigens auch eine Untersuchung, welche bei ehemaligen Absolventen der Zürcher Fachhochschule durchgeführt wurde. Befragt nach den wichtigsten Erfolgsfaktoren, geben erfolgreiche Selbständige hier nämlich an, dass nebst praktischen Kenntnissen aus ihrer Sicht Beharrlichkeit und Selbstüberzeugung die zentralen Erfolgsfaktoren sind.

«Business Angel»

Nebst dem Glauben an sich selbst hängt der Erfolg eines jungen Unternehmens aber auch entscheidend davon ab, ob man es schafft, Leute zu finden, die einem Vertrauen schenken und den Jungunternehmer durch ihre Beziehungen und Netzwerke unterstützen. Solche Förderer können beispielsweise hochqualifizierte Pensionäre sein, welche oft nur zu gerne bereit sind, ihr Wissen an interessierte Jungunternehmer weiterzugeben. Dabei spielt der finanzielle Aspekt häufig eine untergeordnete Rolle. Viele stellen ihr Know-how sogar unentgeltlich zur Verfügung, weil es ihnen Freude macht, nochmals gebraucht zu werden und sie bei der Realisierung einer neuen Geschäftsidee mithelfen wollen.

Die Rolle des Geldes

Viele Firmengründer glauben, mit einer zündenden Idee schnell das grosse Geld machen zu können. Doch dies stellt sich meistens als Trugschluss heraus. Laut einer Untersuchung des Staatssekretariates für Wirtschaft (Seco) verdienen nämlich 70 Prozent der neuen Selbständigen am Anfang wesentlich weniger als in ihrer früheren Anstellung. Zudem zeigen Studien aus den USA, dass der durchschnittliche Selbständige mit allen Abzügen weniger verdient als ein vergleichbarer Arbeitnehmer. Ähnliches gilt auch für die Schweiz und andere europäische Länder. Zwar gibt es immer wieder solche, die es mit Fleiss, Hartnäckigkeit und Stehvermögen schaffen, auch finanziell sehr erfolgreich zu werden. Doch ist dies eher die Ausnahme und nicht die Regel. Wer darum davon träumt, möglichst schnell Millionär zu werden und glaubt, dies mit der Gründung einer eigenen Firma realisieren zu können, sollte es vielleicht besser mit Lottospielen versuchen.

Der Autor

Markus Schefer (41) ist selbständiger Personal- und Unternehmensberater. Daneben ist der ausgebildete Primarlehrer Dozent für das Fach «Verkauf» an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel. Er verfügt über langjährige Vertriebserfahrung im In- und Ausland, unter anderem bei IBM und Reuters.
www.scheferpersonal.ch
markus@scheferpersonal.ch

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Wer im Verkauf erfolgreich sein will, muss über das Mittelmass hinauswachsen und eine Siegermentalität entwickeln. Nur so kann man lang­fristig erfolgreich sein. Was hindert Verkäufer, aus der Masse herauszu­treten und wie kann man Mitarbeiter unterstützen, das Beste aus sich herauszuholen?


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