Microsoft muss nicht direkt vors Bundesgericht

14. Juni 2000

     

Gestern hat Microsoft im Kartellrechtsprozess wie angekündigt Berufung eingelegt und dabei einen klaren Sieg über die US-Regierung eingeheimst: Der U.S. Circuit Court of Appeals – das in der Vergangenheit schon zweimal (1995 und 98) Microsoft-freundliche Appellationsgericht in Washington – hat den Fall an sich gezogen, noch bevor Richter Jackson über den Antrag der Kläger entscheiden konnte, das Verfahren direkt an das Bundesgericht zu überweisen und das Berufungsgericht zu überspringen.

Unerwartet war vor allem, dass das Washingtoner Gericht gleich eine beschleunigte Sitzung vor einem vollen Panel mit sieben Richtern angekündigte – typischerweise hören sich nur drei Richter einen Appeal an.


Dies dürfte den Versuchen der Regierung und von Richter Jackson kaum noch Raum lassen, den Fall doch noch direkt nach ganz oben durchzureichen. Nach Ansicht mehrerer Experten ist es nun sehr unwahrscheinlich, dass das Bundesgericht noch interveniert.

MS-CEO Steve Ballmer gab sich denn auch in einem Statement betont optimistisch: "Microsoft freut sich auf die nächste Phase im Prozess" und man sei sicher, dass das Appelationsgericht die jüngsten Urteile aufhebt.

Das könnte wohl der Fall sein: Von den sieben Richtern sind vier noch von den Präsidenten Reagan oder Bush ernannt worden – ein klarer "Pro-Microsoft-Lineup", so ein Beobachter.

Microsoft bemängelt in seiner Berufung eine ganze Reihe von "ernsthaften substantielle und prozeduralen Fehlern" in Jacksons Urteil: So habe das Gericht die Vorteile für Kunden und Entwickler nicht berücksichtigt, die die Gratis-Beigabe des IE zum System habe. Es habe ferner die Design-Vorteile der Internet-Integation in Windows nicht gewürdigt, und es habe übersehen, dass Navigator auf 22% der neuen PCs installiert sei, der Rivale also nicht vom Markt ausgeschlossen sei. Zudem habe Microsoft viel zuwenig Gelegenheit zur Darstellung seiner Position erhalten.

Die Regierung hat Jackson nun aufgefordert, die Berufung abzuweisen. Nach Ansicht von Rechtsexperten haben sich die Kläger jedoch mit dem jüngsten Manöver zur Umgehung des Appelationsgerichts selbst geschadet. (mvb)




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