Delec nach der Übernahmewelle: Noch Verdauungsbeschwerden?

Im Mai 2000 titelten wir anlässlich der Überrnahme von Teleprint durch Delec «Helvetischer Super-VAR». Doch Teleprint scheint den Bernern einige Bauchschmerzen verursacht zu haben...

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/12

   

Die Berner Delec gehört unter den grossen Schweizer VARs zu den Ausnahmen. Trotz raschem Wachstum schielte man von Gümligen aus nie nach der Börse und nahm kein Risikokapital an Bord. Der VAR versteht sich als Komplettanbieter für KMUs und Behörden und bietet alles vom reinen Handel bis zur Abacus-Lösung. Strikte fokussiert ist allerdings das Portfolio. Delec konzentriert sich auf einige wenige Lieferanten.
IT Reseller unterhielt sich mit den beiden Gründern und Mehrheitsaktionären Jürg Schwarzenbach und Daniel Bühlmann.
IT Reseller: Wir haben den Eindruck, dass Delec immer noch an Verdauungsbeschwerden von der Teleprint-Übernahme her leidet. Mit Global IT entstand ein Konkurrent, der nach eigenen Angaben schon sieben Millionen Umsatz mit ehemaligen Teleprint-Kunden macht.
Jürg Schwarzenbach: Der Eindruck täuscht nicht. Wir stehen zu den Schwierigkeiten mit der Teleprint-Übernahme und die Angaben von Global IT können auch durchaus stimmen. Tatsache ist, dass Teleprint bei der Übernahme eben schon in einem relativ desolaten Zustand war. Spiros Lekatsas, der dann Global IT gründete, ging weg und Ekkhard Reich, dessen Leistung ich bewundere, ging in Pension.
Teleprint hatte ein sehr spezielles Geschäftsmodell. Sie machten zum einen klassisches Boxmoving zu sehr tiefen Preisen und zum anderen qualitativ hochstehende Services im Compaq- und ex-Digital-Umfeld bei grossen Kunden. Die beiden Bereiche liefen ziemlich getrennt. Im Boxmoving-Geschäft haben wir einige Kunden an Global IT oder andere verloren. Die meisten Verkäufer von Teleprint waren bei der Übernahme schon auf Abwarten oder hatten sogar schon gekündigt. Die Konkurrenz, zum Beispiel Red IT, hat auch nicht geschlafen. Die haben aktiv bei den Kunden mitgewühlt. In der Folge gingen dann einige Verkäufer weg, zum Teil zu meinem Leidwesen, zum Teil aber auch nicht.
Längerfristig gesehen ist es wohl für uns gut so. Wir hatten vor der Übernahme Respekt vor Teleprint und dachten, wir könnten viel von ihnen lernen. Wir haben auch einiges gelernt.
Die Sales-Leute gingen weg, aber das wichtigste Know-how-Element, die Technik, ist geblieben. Die Kunden der Technik sind auch noch da. Wir hatten gerade kürzlich an den «Solution Circles» in Zürich sehr positives Feedback von den Kunden und ich glaube, die Talsohle ist durchschritten. Unterdessen haben wir einen Verkaufsleiter und zwei neue Verkäufer in Zürich. Der neue CEO für Zürich sollte auch bald gefunden sein.
Sein Vorgänger war ein klarer Fehlgriff, seine Wahl ein Managementfehler. Dazu stehe ich. Deshalb habe ich die Leitung von Zürich übernommen. Ich bin gerne in Zürich und ich behaupte, die Leute sind sehr engagiert und stehen hinter Delec.
ITR: Delec hat unterdessen einige Erfahrung mit Übernahmen. Die Faustregel sagt, dass bei Übernahmen eins plus eins nie zwei ergibt, sondern eher 1,x. Wieviel der zugekauften Umsätze sind bei Delec geblieben?
JS: Bei der Teleprint-Übernahme ist der Umsatz nicht wenig zurückgegangen. Auf der anderen Seite muss man sehen, dass das Umsätze waren, wo noch zwei Prozent Marge übrig geblieben sind. Solche Umsatzverluste kann ich gut verdauen, denn Umsatz kostet auch immer viel Geld.
Wir konnten viele Kunden behalten oder sie zurückgewinnen, bei denen Dienstleistungen im Vordergrund standen. Das sind die Kunden, die mir wichtig sind. Wenn die Konkurrenz zu den reinen Boxmoving-Kunden schaut, finde ich das nicht so dramatisch. Das mag überheblich tönen, doch das ist eben unsere Strategie.
Bei den anderen Übernahmen sieht es noch besser aus. Als wir 1997 Frauenfeld übernommen haben, hatten wir dort 16 Leute. Heute sind es über 40. Auch dort gab es am Anfang einen kleinen Einbruch. Es braucht etwa zwei Jahre, bis eine neue Kultur gelebt werden kann. Heute haben wir die gleiche Kultur in Frauenfeld wie in Gümligen und machen auch die gleichen Profite. Frauenfeld ist zu einer Perle in unserer Gruppe geworden.
Bei Liestal zeigt sich das gleiche Bild. Wir haben Liestal vor zwei Jahren übernommen. Jetzt zeigt sich eine positive Entwicklung. Liestal wird dieses Jahr die Budgets praktisch erreichen, Frauenfeld wird darüber liegen. Auch Teleprint wird halt die zwei Jahre brauchen, ob uns das passt oder nicht.

ITR: Welche Übernahmen werden folgen?

JS: Die Übernahmewelle ist für uns im Moment vorbei. Wir sind in der Schweiz jetzt geografisch gut abgedeckt. Die Romandie ist ziemlich unterschiedlich und würde uns einen grossen Aufwand bescheren. Solange ich in der deutschen Schweiz genügend Profit erwirtschafte, reizt mich das Abenteuer Romandie nicht.
Solange man bei einem Hersteller unter den Top-3 ist, hat man eine gute Position. Das sind wir bei den meisten Lieferanten. Bei Abacus, bei Compaq und bei Citrix. Bei Cisco sind wir noch nicht dort, aber da liegt ein klarer Fokus von uns.

ITR: Keine weiteren Übernahmen also. Wo liegt die Wachstumsperspektive?

JS: Wir bauen unsere Sparten in den einzelnen Filialen aus. So können wir noch lange wachsen.

ITR: Ist die Übernahmewelle unter Schweizer VARs generell vorbei?

JS: Die Übernahmewelle hatte auch mit den Börsenträumen zu tun. All diejenigen, die vom Börsengang träumten, werden kurzfristig nicht an die Börse gehen. Ihre Kapitalgeber werden aber irgendwann Geld sehen wollen.
ITR: Der Nachfrage-Einbruch – gerade im Lösungsbereich – im Jahr 2000 ist bekannt. 2001 scheint nicht viel besser, der grosse Run auf Windows 2000 findet nicht statt. Wie schätzt Delec die IT-Konjunktur ein?
Daniel Bühlmann: Wir sehen die Trends bei uns selbst. Auch bei uns intern schreit niemand nach dem Wechsel auf Windows 2000. NT 4 hat eine gewisse Zuverlässigkeit erreicht – ausserdem steht schon Windows XP vor der Türe.
Wir sehen die Zukunft in der Spezialisierung auf bestimmte Lösungen. Das sind Technologien wie Citrix-Lösungen oder Kommunikationslösungen, in die unsere Kunden jetzt Vertrauen fassen.
ITR: Die Frage ein bisschen konkreter gestellt: Wird Delec gegenüber 2000 wachsen?
DB: Meinen Sie Deckungsbeitrag oder Umsätze? Die Umsätze werden eher konstant bleiben. Der Deckungsbeitrag hingegen soll steigen.

ITR: Weil die Verluste in Zürich wegfallen?

JS: Nein, der Deckungsbeitrag wird steigen, weil wir unsere Position in bestimmten Märkten ausbauen werden. Ich nenne Storage und Kommunikation. Wir rechnen damit, dass der DB aus dem «normalen» Handel nicht gross wachsen wird.
DB: Früher hat man beim Kunden 200 Clients ersetzt. Heute hat man Lösungen, eben Citrix, womit man die 200 Clients nicht ersetzen muss. Mit diesem Kunden mache ich zwar weniger Umsatz aber mehr Ertrag.
ITR: Jakob Broger von MTF erwartet eine weitere Konsolidierungsrunde unter den Schweizer VARs im 2001/2002. Wie ist Ihre Einschätzung?
JS: Das sehen wir ziemlich ähnlich. Es wird spezialisierte VARs geben, die eine gewisse Einzigartikgeit vorweisen können. Der 0815-VAR, der nicht wirklich ein VAR ist, der wird ein Problem haben. Einige der traditionellen Reseller werden auch überleben, aber nicht alle.
DB: Mit der Mündigkeit des Kunden steigt die Anforderung an den Reseller. Er erwartet vom Partner eine professionelle Infrastruktur. Der Kunde will eine Lösung, die bis zur Wartung hin funktioniert, auch wenn beim Reseller ein Mitarbeiter krank, einer im WK und einer in den Ferien ist. In unserem Kundensegment braucht es eine gewisse Grösse, um den Kunden diese Verfügbarkeit garantieren zu können. Diese Grösse haben lange nicht alle.
ITR: Ich sehe zur Zeit einen richtiggehenden Run auf die Zertifizierung als Compaq SAN System Integrator. Es zeichnet sich ein Gedränge in diesem Markt ab...
DB: Diese Zertifizierung ist ja völlig neu. Das Storage-Geschäft verlangt massive Investitionen in die Ausbildung und ist überhaupt nicht vergleichbar mit dem Wintel-Client/
Server-Geschäft, wo viele traditionelle VARs tätig sind. Wir haben jetzt viele Anfragen von kleineren Partnern, die mit uns bei Storage-Projekten zusammenarbeiten wollen.
ITR: Es gibt also tatsächlich Platz für alle acht VARs, die die Compaq-SAN-Zertifizierung haben oder wollen?
JS: Der Run auf Storage ist logisch. Mit ein Grund ist, dass heute auch ein KMU Storage braucht. Vor drei, vier Jahren redeten unsere Kunden noch nicht von Storage. Heute denkt unser typischer Kunde mit 100 bis 200 Leuten sehr aktiv über Storage nach.

ITR: Wieviele Leute wird Delec auf den Storage-Markt ansetzen?

JS: Das sind bereits heute etwa 30 Leute, davon 13 Sales und der Rest sind Techniker.
ITR: Ist Outsourcing oder ASP ein Thema für Delec? Baut Delec ein Datencenter auf?
JS: Die erste ASP-Welle ist vorbei. Ich glaube nicht an eine dramatische Verschiebung hin zum ASP-Modell. ASP kann sich in gewissen Nischen durchsetzen.
DB: ASP ist eine Fortsetzung des Outsourcings. Wir halten es für den falschen Approach. Totales Outsourcing kann für den Kunden gefährliche Abhängigkeiten erzeugen und ist definitiv nicht günstiger.
JS: Demzufolge gibt es bei uns keine Überlegungen, ein Datencenter aufzubauen. Wir sind nicht
IT-Betreiber, sondern IT-Infrastruktur-Integrator.
DB: Eine andere Sache ist der Fernzugriff zum Beispiel von Zweigniederlassungen auf eine zentrale IT. Solche Lösungen bauen wir unterdessen fast bei jedem neuen Kunden. Auch unsere eigene Infrastruktur ist zentralisiert.
JS: Man trifft beim Kunden eben nie eine «grüne Wiese» an. Viele Lieferanten glauben an komplette Standardlösungen – die Welt ist nicht so.
Das ist der gleiche Unsinn wie Compaq mit dem «Premium Club». Man diskutierte, dass der Kunde über die Internet-Plattform von Compaq bestellen sollte. Die Bestellung sollte dann zu uns kommen, wo wir sie noch einmal bearbeiten sollten. Doch der Kunde hat bei uns seine spezifischen Einkaufskonditionen. Es ist fraglich, ob Compaq diese überhaupt abbilden kann. Ausserdem haben wir auch Produkte von anderen Herstellern, die Compaq natürlich nicht über diese Plattform verkaufen will.
Damit will ich illustrieren, dass es die «grüne Wiese» eben nicht gibt. Eine Lösung muss in der Praxis durchführbar sein. Eine Ausnahme ist eine geschlossene Benützergruppe, zum Beispiel Ärzte mit der Ärztekasse.

ITR: Wie wichtig ist für Delec der
Lösungsanteil mit Abacus?

JS: Es ist weniger als die Hälfte und mehr als ein Zehntel des Umsatzes. Detaillierter kommunizieren wir die Umsatzaufteilung nicht.
Abacus ist Marktführer und für uns wichtig. Es ist sozusagen der «Deckel» unseres Business-Modells. Unser Angebot geht von der Infrastruktur bis zur ERP-Lösung für KMUs, eben Abacus. Zweitens ist Abacus für uns ein Türöffner beim Kunden. Abacus-Projekte bringen auch eine gute Kundenbindung. Ein Abacus-Kunde springt nicht wegen fünf Rappen davon.
In Bern sind wir die Leader im Abacus-Geschäft, aber in den Geschäftsstellen, vor allem in Zürich und in der Ostschweiz, wollen wir das Geschäft noch stark ausbauen. In Basel sehen wir ein sehr gutes Wachstum.

ITR: Könnten noch weitere Lösungen dazu kommen?

JS: Durchaus. Wir diskutieren zur Zeit über ergänzende Lösungen, zum Beispiel Software für Archivierung.

ITR: Welche Trends sehen Sie im IT-Markt in den nächsten Monaten und Jahren?

DB: Sicher die Zentralisierung der IT-Infrastruktur. Dies hat mit den gestiegenen Bandbreiten zu tun. Server Based Computing bringt grosse Vorteile, vor allem können die IT-Manager wieder Standards durchsetzen.
ITR: Ich höre Storage, Abacus, Server Based Computing. Es gibt keinen weiteren Zug, auf den Delec dringend aufspringen will?
JS: Wir sehen schon noch weitere interessante Trends. Dazu gehört sicher die E-Business-Integration bis hin zu CRM. In diese Richtung werden wir im Lösungsgeschäft gehen. Wir haben auch schon für Kunden solche Applikationen realisiert. Es muss ja nicht gerade Siebel sein. Auch Abacus entwickelt sich klar in die Richtung CRM.
Ausserdem glaube ich stark an Mobile Computing. Da schauen wir links und rechts gut hin, was passiert.
DB: Sehr wichtig ist der Wartungsbereich. Der Kunde sieht, dass seine Refinanzierung sehr schwierig wird, wenn er die Wartung rund um die Uhr selbst garantieren will. Die Kunden merken heute, dass es günstiger kommt, wenn er die Wartung mit anderen Kunden teilt. Da hilft unsere Grösse.

ITR: Welche Probleme rauben Ihnen heute den Schlaf?

JS: Der Hersteller wird klar zum Konkurrent. Der Hersteller hat ein ähnliches Know-how und kennt unsere Kunden. Im Service-Bereich ist Compaq ein knallharter Konkurrent. Bei grösseren Projekten kann es aber durchaus Sinn machen, mit Compaq zusammenzuarbeiten. Kaum eine Firma hat zum Beispiel beim Engineering, beim Rollout und bei Einführung/Schulung die höchsten Kompetenzen.
Daneben ist es für uns heute viel einfacher, gute Leute zu finden. Dieses Problem macht uns nicht so grosse Sorgen wie anderen Resellern. Gute Verkäufer zu finden ist halt immer schwierig.

ITR: Kein Klagen über Margen- und Preiszerfall?

JS: Überall wo gehandelt wird, wird gefeilscht. Das wird auch noch in fünf Jahren so sein. Ausserdem war das Jammern über den Margenzerfall schon vor 13 Jahren zu hören. Der Margenzerfall bringt uns nicht um. Wir wissen, dass es ihn gibt und verhalten uns entsprechend.
DB: Auch der Preiszerfall ist nicht neu. Sinkende Preise werden zum Teil wieder kompensiert. Heute kaufen die Kunden zum Beispiel mehr TFT-Bildschirme. Wenn man kreativ ist und eine Lösung anbieten kann, ist der Preiszerfall weniger eine Bedrohung. Schwierig wird es für jene, die einfach eine Preisliste versenden. (Interview: hc)


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