Fachhandel quo vadis?
Quelle: Mediamarkt

Fachhandel quo vadis?

Die Zeiten sind hart für den hiesigen CE- und IT-Fachhandel. Nach wie vor gibt es allerdings Wege, um im umkämpften Schweizer Markt bestehen zu können – etwa durch die Verschiebung in den Online-Handel.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2017/04

     

Die Zeiten, in denen der Verkauf von Consumer-Electronic (CE)- und IT-Produkten in der Schweizer Fachhandelslandschaft ein Selbstläufer war, sind definitiv vorbei. Aber die fetten Jahre sind nicht nur für die IT- und CE-Retailer seit geraumer Zeit vorbei, wie den neuesten Erhebungen des Marktforschungsinstituts Gfk zu entnehmen ist. Wie die Auguren des Instituts schreiben, hat der gesamte Schweizer Detailhandel mit schwierigen Bedingungen zu kämpfen gehabt, wobei der Lebensmittelhandel weiterhin besser abschneidet als der Non-Food-Bereich. In Zahlen bedeutet dies, dass der Schweizer Detailhandel im Jahr 2016 ein Minus von 0,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr hinnehmen musste. Während sich der Bereich Lebensmittelhandel 2016 mit einem Plus von 0,1 Prozent minim über dem Vorjahresniveau bewegte, hatte der hiesige Non-Food-Handel stark zu kämpfen und musste ein Minus von 2,3 Prozent hinnehmen. Allerdings sind im Non-Food-Bereich nicht alle Branchen gleich vom Rückgang betroffen. Der Bereich Heimelektronik, zu welchem das Marktforschungsinstitut Kleingeräte, Telekommunikationsartikel, IT- und Office-Equipment sowie Consumer Electronic zählt, musste laut Gfk ein Minus von 5 Prozent notieren. Dem gegenüber kauften die Schweizer Konsumenten 2016 für 7,8 Milliarden Franken Waren und Güter online ein, was eine Steigerung von 8,3 Prozent gegenüber 2015 bedeutet. Damit konnte der Online- und Versandhandel im vergangenen Jahr erneut ein Wachstum verzeichnen. Während im Food-Bereich erst 1,9 Prozent des Gesamtvolumens online eingekauft wurden, bestellten Herr und Frau Schweizer Waren aus Non-Food-Sortimenten bereits zu 15,3 Prozent online. Gemäss Gfk und dem Verband des Schweizerischen Versandhandels (VSV ASVAD) zeigt sich vor allem in den Non-Food-Sortimenten eine starke Verschiebung von stationärem Einkauf hin zum Online-Einkauf. So hat der stationäre Non-Food-Handel in den letzten sechs Jahren 8,3 Milliarden Franken an Umsatz eingebüsst, die Online-Einkäufe im Non-Food-Bereich haben im gleichen Zeitraum hingegen um 2,4 Milliarden Franken zugelegt. Haupttreiber für diese Entwicklung sind laut Gfk und VSV ASVAD Preistransparenz sowie die hohe Produkteverfügbarkeit im Online-Handel.

Diversität bringt Preisvorteile

Eine wesentliche Rolle spielt im Bereich IT und CE der Online-Handel. So werden hier hierzulande mittlerweile fast 30 Prozent der Güter online eingekauft, und im letzten Jahr wurde ein Online-Umsatz von insgesamt 1,8 Milliarden Franken im Heimelektronikmarkt verzeichnet. Damit ist gemäss Gfk und VSV ASVAD der Heim­elektronikbereich unangefochtener Spitzen­reiter im Schweizer Online-Markt. Dies hat auch direkt oder indirekt Einfluss auf die physischen Standorte der Heimelektronikanbieter. Aktuellstes Beispiel dafür ist Media Markt: Der Elektronikfachhändler ist derzeit dran, sein stationäres Ladenkonzept zu überdenken und geht davon aus, dass es künftig nur noch wenige grossflächige Heimelektronikläden geben wird. "Der CE- und IT-Fachhandel sollte sich Gedanken machen, wie es mit den stationären Flächen weitergeht und wie er vom Online-Handel auch profitieren kann. Positiver Aspekt am hohen Online-Bestellanteil: Viele Konsumenten schätzen die Möglichkeit, die Ware im Ladengeschäft abzuholen. Daraus ergeben sich auch wieder zusätzliche Verkaufs- und Beratungschancen", so Thomas Hochreutener, Direktor Handel bei Gfk.


Der Schweizer CE- und IT-Fachhandel unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt vom Ausland: Die Konkurrenz spielt. Dominieren beispielsweise in Deutschland und Österreich einige wenige Player wie die Media-Saturn-Gruppe den IT- und CE-Fachhandel, ist die Diversität in der Schweiz deutlich grösser. Hierzulande buhlen nebst unzähligen kleinen, spezialisierten Fachhändlern auch mehrere grosse Retailer und E-Tailer um die Kunden – so etwa Media Markt, Interdiscount, M-Electronics oder Fust sowie Online-Spezialisten wie Digitec, Brack.ch oder Microspot. Entsprechend bietet die Schweiz ein überaus attraktives Preis- und Leistungsniveau. "Dank der vielen Anbieter und des entsprechend intensiven Wettbewerbs hat sich der CE- und IT-Markt in der Schweiz ein attraktives Preis-Leistungsniveau erarbeitet. Insbesondere bei eher wertigen Markenartikeln können sich Konsumenten fast sicher sein, dass in der Schweiz angebotene Produkte im internationalen Preisvergleich gleich teuer, wenn nicht gar günstiger sind", so Thomas Hochreutener.

Dem Preisdruck entgegentreten

Der Preisdruck im Heimelektronikmarkt ist aus genannten Gründen also enorm. Deswegen liegen die hiesigen Preise, nicht zuletzt bei Marken-­Bestsellern, oftmals unter EU-Niveau, und die Margen für die Händler sind entsprechend gering. Im Longtail- und Zubehörbereich sind die Margen für die Händler noch etwas besser, und auch Eigenmarken dürften nicht demselben Preisdruck unterliegen wie A-klassige CE- und IT-Produkte, sind die Spezialisten von Gfk und VSV ASVAD überzeugt. Jedoch steht auch ausser Frage, dass vor allem preissensitive Kunden das internationale Angebot im Auge haben und bei günstigeren Varianten bei ausländischen Online-Shops bestellen. Jedoch müssen laut Patrick Kessler, Präsident bei VSV Verband des Schweizerischen Versandhandels, in erster Linie bei geringwertigen Gütern, die etwa in Asien bestellt werden können, qualitative Abstriche, nicht zuletzt auch bei der Sicherheit, gemacht werden. "Vor allem Klein­elektronik und Zubehör sind im Fokus der Online-Einkaufs­touristen; dort wandert sicher viel Umsatz in ausländische, insbesondere chinesische Verkaufskanäle ab. Bei wertigen Gütern sehen wir nach wie vor die lokale Beschaffung inklusive dem stationären Handel mit Vorteilen."


Zudem kann der stationäre Handel dem Kaufverhalten des (preissensitiven) Konsumenten mit Leistung und Services entgegenhalten. Denn selbst bei guten Margen ist der Handlungsspielraum der Händler bei der Preisgestaltung beschränkt. "Der Fachhandel sollte sich einfach bewusst sein, dass viele Produkte austauschbar beziehungsweise überall verfügbar sind. Dementsprechend können sich Händler kaum mehr über das Produkt profilieren und müssen dies über die persönliche Leistung tun. Installation, Altgerätemitnahme, verlängerte Garantien, temporäre Ersatzgeräte, Gratiszubehör, Testgeräte, Spezialisierungen auf gewisse Geräte und Modelle oder grosszügiges Rückgaberecht können positiv wirkende Faktoren sein, müssen aber halt immer auch mitfinanziert werden können", erklärt Patrick Kessler.

Spezialisierung und Breite bringen Möglichkeiten

Gerade im Heimelektronikhandel führt der Kundenkontakt je länger je mehr über eine Online-Schnittstelle. Dies hat wiederum ein Einfluss auf die Zukunft von kleinen, unabhängigen CE- und IT-Händler im Schweizer Markt. Und es dürfte vor allem für diese kleinen Händler künftig attraktiv sein, sich Online-Verkaufsgemeinschaften anzuschliessen, um ihre Produkte stationär wie auch online zu verkaufen. Denn der Aufbau von einem eigenen Omni-Channel-­Verkaufskanal ist normalerweise kostspielig und zeitaufwendig. Der Vorteil von bestehenden Online-Gemeinschaften liegt darin, dass Händler ohne grossen Aufwand Zugang zu einem Internet-Verkaufskanal erhalten. Jedoch gilt zu beachten, dass Online-Marktplätze, die ihre Verkaufsdienstleistungen auch an kleinere Unternehmen richten, jeweils versuchen, das Warenrisiko an die Hersteller oder Händler zu delegieren, um somit grosse Mengen anbieten und absetzen zu können.


Offen bleibt, wie sich der Schweiz Heimelektronikmarkt in den kommenden Jahren entwickeln wird. Zudem dürften Händler, die auf Nischenprodukte spezialisiert sind, auch künftig im Markt mitmischen. Denn der Margendruck bei den Nischenprodukten wie beispielsweise Spezialteile für Heimnetzwerke oder auch gewisse Produkte aus dem Gaming-Bereich ist laut Kessler noch nicht so stark, wie etwa bei den volumenstarken Heimelektronikartikeln.
Eine weitere Möglichkeit neben den Nischenprodukten besteht zudem in der Angebotsbreite. Um den Kunden ein möglichst grosses Sortiment anbieten zu können, setzen deswegen vor allem grössere Schweizer Elektronikfachhändler vermehrt auf die Dienstleistungen von Distributoren und integrieren diese in die eigene Wertschöpfungskette. Durch den Dienstleistungsbezug von Distributoren versuchen die Händler, ihre eigenen Lagerrisiken zu minimieren und den Kunden jederzeit eine breite Auswahl von Produkten zu garantieren. Dadurch werden klassische Handelsfunktionen wie Selektion, Lagern, Werben, Verkaufen und Garantieren langsam substituiert. Dadurch, dass die Handelsfunk­tionen von Distributoren erledigt werden, kann sich der Fachhandel mehr um seine Kunden und den Verkaufsprozess kümmern. So wird etwa Kommunikation zwischen Händler und Kunden immer mehr personalisiert, und man versucht, den interessierten Konsumenten, egal ob im stationären oder im Online-Handel, im Kaufprozess konsequent zu begleiten, um im richtigen Moment präsent zu sein und das entsprechende Produkt an den Mann zu bringen. Zudem entstehen, als positiver Nebeneffekt, somit auch für Distributoren neue Möglichkeiten zur Erweiterung ihrer Geschäftsfelder.

Kein allgemeingültiges Zukunftsrezept

Die Vertreter von Gfk und VSV ASVAD sind überzeugt, dass künftig der Flächenbedarf der CE- und IT-Händler weiter abnehmen wird und sich die Verlagerung vom reinen Produktverkauf hin zum Produkt- und Servicedienstleister verstärken wird. "Der Service wird zum Produkt; nur über den Produktverkauf alleine kann der Fachhandel nicht mehr bestehen." Ein Patent­rezept, um als Fachhändler bestehen zu können, gibt es aber nicht. "Es ist in der Tat eine herausfordernde Zeit, und vieles wird in Frage gestellt. Und auch die Online-Phase wird Fachhändler verschwinden lassen, einigen wird diese Phase aber auch neuen Schub verleihen und vielleicht sogar den einen oder anderen Neuen entstehen lassen", ist Hochreutener überzeugt.


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