«Swiss IT Reseller»: Welches Fazit ziehen Sie nach rund sechs Monaten als Channel-Chef von HPE Schweiz?
Serge Bourgnon: Die ersten drei Monate und die zweiten drei Monate waren aufgrund des Coronavirus komplett unterschiedlich. Das Hauptfazit für mich ist, dass es persönlich die richtige Entscheidung war. Es ist mit einem gewissen Risiko verbunden, den Job zu wechseln. Ist es wirklich das, was man sich vorstellt? Nach sechs Monaten kann ich sagen, dass die Entscheidung definitiv richtig war. Es macht viel Spass, ich arbeite gerne mit den Partnern, den Distributoren und den Service Providern. Ich bin beeindruckt von unserer Partnerlandschaft: von der Anzahl der Partner – wir haben sehr viele Partner, die mit HPE zusammenarbeiten – und auch der Kompetenz und Loyalität der Partner. Wir sind ein Team, wir verlieren zusammen und gewinnen zusammen.
In den ersten drei Monaten konnten Sie dem normalen Tagesgeschäft nachgehen. Was war dabei Ihre Hauptaufgabe?Ich habe von Adrian Mebold, der vor mir den Channel von HPE Schweiz führte und mit dem ich die Rollen getauscht habe, einen funktionierenden Channel übernommen. In den ersten drei Monaten war ich sehr viel bei Partnern. Ich habe versucht, alle Platinum- und Gold-Partner – insgesamt 14 Stück – zu treffen. Zudem habe ich in einigen Projekten mit Partnern zusammengearbeitet und war bei Kundenterminen dabei. Ich habe mich also direkt ins Operative gestürzt.
Dann kam Corona: Wie haben Sie die zweiten drei Monate erlebt?Es ist eine spezielle Situation. Home Office hat seine Vorteile, etwa was den Arbeitsweg angeht. Zudem kann man einige Sachen effizienter erledigen und verliert dank Tools wie Teams oder Zoom den Kontakt zu Partnern nicht. Dennoch fehlt für mich das Zwischenmenschliche, das man nur im direkten Kontakt spürt. In einem Teams-Meeting ist alles reservierter und weniger spontan. Dennoch gab es auf Business-Seite nichts, das wir wegen Corona nicht machen konnten.
Wie war die Rückmeldung der Partner? Inwiefern waren oder sind sie von Corona betroffen?Mit gewissen Partnern war ich kurz vor dem Lockdown noch beim Mittagessen und habe eine gewisse Nervosität gespürt. Viele hatten ihre Mitarbeiter bereits damals im Home Office und nur noch den Notbetrieb aufrechterhalten. Wenn ich heute mit den meisten Partnern spreche, so stelle ich fest, dass der Einfluss der Coronapandemie auf unsere Channel-Partner relativ gering war. Dies aus mehreren Gründen. Zum einen war die Auftragslage sehr stark, es gab noch viele laufende Projekte. Und zum anderen kamen durch Corona neue Themen auf. Man hat gesehen, wie matchentscheidend etwa die Digitalisierung fürs Home Office ist. Zudem haben einige Branchen, wie etwa der Healthcare-Bereich oder das Service-Provider-Umfeld, einen Boom erlebt. Und schliesslich haben Finanzierungsmodelle wie Pay per Use oder Pay as You Grow, die bisher weniger prominente Themen waren, aus Cashflow-Gründen bei den Endkunden einen anderen Stellenwert erhalten. Bis jetzt hat mir noch kein Partner gesagt, dass sein Geschäft schlecht läuft.
Erwarten Sie, dass sich der Einfluss der Coronakrise bei den Partnern verzögert zeigen wird? Denn gerade im Projektgeschäft wurden viele Projekte noch vorher aufgegleist. Das ist schwierig zu sagen. Ich erwarte aber schon, dass Corona noch einen Einfluss auf das Projektgeschäft haben wird. Gewisse Projekte werden sich verzögern, auf der anderen Seite gibt es im Service-Bereich sicher auch die Chance, gewisse Sachen für Firmen zu betreiben. Ich sehe Chancen und Risiken. Wie gross der Einfluss noch sein wird, kann ich aber nicht abschätzen. Ich bin der Meinung, dass der Einbruch in unserer Branche, wenn es denn einen geben sollte, nicht von langer Dauer sein wird.
Auch wenn der Einfluss der Coronakrise auf Ihre Partner gering war, hat HPE gewisse Massnahmen ergriffen, um ihnen unter die Arme zu greifen. Wie sehen diese konkret aus?Kundenspezifisch haben wir ein Package von 2 Milliarden Dollar angekündigt im April, bei welchem es vor allem darum geht, die Zahlungsziele bei der Distribution und den Endkunden zu verlängern. Dabei werden zum Beispiel gewisse Projektzahlungen erst 2021 fällig. Auf Partnerseite haben wir die Umsatzziele ausgesetzt. Denn für Zertifizierungen brauchen die Partner zum einen einen gewissen Umsatz und zum anderen technisch zertifizierte Mitarbeiter. Wenn ein Partner aufgrund der aktuellen Situation sein Umsatzziel nicht erreichen würde, dann hat das keinen Einfluss auf seine Zertifizierung. Zudem haben wir die Zahlungsfristen mit der Distribution von 60 auf 90 Tage erhöht und alle Trainings und Events finden nur noch virtuell statt. Und schliesslich ist gewisse Software, zum Beispiel für den Zugriff auf Server, kostenlos. Alle Massnahmen bleiben am Laufen, solange es die Situation erfordert.
Wenn man die aktuelle Coronakrise mal aussen vor lässt: Wie sieht Ihre Strategie für den HPE-Schweiz-Channel aus?Wir werden das Geschäft nicht von heute auf morgen komplett anders machen. Aber es gibt gewisse Themen, auf welche wir einen starken strategischen Fokus legen. Dazu gehört etwa Edge to Cloud as a Service. Heute wird ein Grossteil der Daten in Rechenzentren gespeichert. Nun sehen wir aber eine Bewegung weg vom Rechenzentrum hin zum Endgerät – seien es Maschinen oder Messsensoren. Gartner sagt, dass in zwei Jahren mehr als 50 Prozent der Daten ausserhalb von Rechenzentren und Clouds entstehen werden. Hier haben wir als
HPE ein sehr gutes Portfolio. Allerdings ist bei diesem Thema der Ansprechpartner in den Unternehmen ein anderer: Es ist nicht der IT-Mitarbeiter, der einen Server installiert, sondern das Business, das schaut, welchen Mehrwert diese Daten bieten. Das braucht sehr viel Branchen-Know-how. Entsprechend arbeiten wir bei HPE selbst daran, eine gewisse Vertikalisierung zu erreichen. Und auch unsere Partner müssen wir befähigen, in diesem Bereich erfolgreich zu sein. Zudem sind wir auf der Suche nach Partnern, die bei gewissen Branchenlösungen sehr versiert sind. Das zweite Thema ist, dass wir bis 2022 das gesamte Portfolio als Service im Greenlake-Modell anbieten werden. Auch hier verändern sich die Ansprechpartner. Wir sprechen mit dem Finanzverantwortlichen, dem Business und dem IT-Verantwortlichen. Das ist etwas, das wir als HPE und auch unsere Partner noch weiter lernen müssen, um erfolgreich zu sein. Denn das wird einen Grossteil unseres Geschäfts ausmachen in Zukunft. Der dritte Schwerpunkt ist der Bereich Service Provider. Man hört immer von den globalen Public-Cloud-Anbietern. Es gibt aber auch bei uns kleinere Service Provider, die lokal starke Lösungen anbieten, die sehr individualisierbar sind. In diesem Bereich wachsen wir stark. Entsprechend wollen wir diesen Service Providern helfen, erfolgreich zu sein, und unseren Partnern und Mitarbeitern aufzeigen, welcher Service Provider welchem Kunden im welchem Umfang helfen kann.
Inwieweit ist Ihre Partnerlandschaft für diese Strategie schon gerüstet und in welchen Bereichen benötigen Sie noch Partner?Viele unserer Reselling-Partner befinden sich in Transformation. Entsprechend machen wir einen Grossteil des Geschäfts mit den bestehenden Partnern – in der Schweiz haben wir mehrere hundert Partner, davon 35 auf den Stufen Platinum, Gold und Silber. Unsere Aufgabe ist es, diese Partner mit Schulungsprogrammen zu befähigen, damit sie das New Selling lernen. Aber wir sind auch auf der Suche nach neuen Partnern, gerade im Bereich Edge, der sehr branchenspezifisch ist. Da gibt es Partner, die nur genau in einem Bereich aktiv sind und dort auch bleiben wollen.
Was passiert mit denjenigen Partnern, die sich nicht unbedingt auf eines dieser drei Fokus-Themen konzentrieren möchten?Das Reselling-Geschäft wird es weiterhin geben. Normalerweise ist ein Partner aber etwas breiter aufgestellt. Er verkauft Hardware, der Service-Bereich ist aber ebenso wichtig – sprich das Beraten, Installieren und Betreiben der Hardware. Entsprechend werden die meisten Partner bestehen bleiben. Es ist aber schon so: Wenn sich ein Partner nur auf das Reselling-Geschäft konzentriert, wird sein Markt kleiner werden. Das ist den Partnern aber auch bewusst. Alle werden es nicht schaffen. Ich denke, 95 Prozent aber schon.
(abr)