Ende Oktober liess Elektronikfachhändler
Conrad verlauten, seine beiden Schweizer Filialen per 2021 zu schliessen. «Unsere Erfahrungen – und dies auch in konkreten wirtschaftlichen Zahlen ausgedrückt – haben gezeigt, dass die wirtschaftlichen Prognosen für die Filialen Dietlikon und Emmenbrücke nicht ausreichend zufriedenstellend waren, um die auslaufenden Mietverträge im nächsten Jahr zu verlängern», liess das Unternehmen verlauten. Konkret bedeutet das, dass die Filiale in Emmenbrücke Mitte März 2021 schliesst, währen die Türen der Filiale Dietlikon Mitte September 2021 ein letztes Mal geöffnet werden, wie Riccardo Bonetti, Senior Director Marketing and Sales bei Conrad Schweiz, gegenüber «Swiss IT Reseller» erklärt, und ergänzt: «In der Filiale Emmenbrücke starten im Dezember bereits die Abverkaufs-Aktionen.»
Gleichzeitig macht Bonetti auch klar, wo Conrad in der Schweiz seine Zukunft sieht – und das sind ganz klar Geschäftskunden.
Kein Handlungsbedarf bei den VersandgebührenBereits bei der Bekanntgabe der Filialschliessungen erklärte
Conrad, dass man sich verstärkt auf die persönliche Betreuung der B2B-Kunden – Handwerker, Einkäufer, Betriebsleiter, Facility Manager oder Entwickler zum Beispiel – konzentrieren wolle. Diese Strategie unterstreicht Riccardo Bonetti nun, auch wenn er gleichzeitig ausführt, dass der B2B- und der B2C-Bereich nicht immer trennscharf voneinander abgegrenzt werden können. «Wir sehen einen deutlichen Trend, dass die Grenzen zwischen den Kundensegmenten immer mehr verschmelzen – und zwar in beide Richtungen. Anders gesagt: Verlässlichkeit, die sich nicht nur in kurzen Lieferzeiten, sondern vor allem auch in stabilen Preisen und funktionierenden Lieferketten zeigt, sind sowohl für B2B- als auch für B2C-Kunden relevant – und dies nicht nur in Krisenzeiten.»
Trotzdem scheint Conrad keine grossen Anstrengungen unternehmen zu wollen, um für Privatkunden attraktiver zu werden, was sich am Beispiel der Gebühren im Online-Versand zeigt. Diese sind im Vergleich mit den anderen Schweizer Etailern nicht konkurrenzfähig. So ist der Versand bei Conrad zum Beispiel erst ab einem Bestellwert von 300 Franken kostenfrei. Ansonsten verrechnet Conrad eine Versandpauschale von 8.95 Franken, Next-Day-Delivery kostet 29.90 Franken, und bei Bestellungen unter 35 Franken wird ein Kleinmengenzuschlag von 5 Franken fällig. Handlungsbedarf sieht Bonetti deswegen aber nicht. «Da der klare Fokus auf unseren B2B-Kunden liegt, gibt es aktuell keinen Grund für weitere Anpassungen in diesem Bereich», so der Senior Director Marketing and Sales. Er verweist dafür auf das Angebot Business Plus, mit dem die B2B-Kunden die Möglichkeit haben, die Portokosten einzudämmen. Business Plus sei ein integraler Bestandteil der Plattformökonomie von Conrad und funktioniere so, dass nach der Zahlung eines einmaligen Betrags von 50 Franken ein Jahr lang keine weiteren Portokosten anfallen. «Und das ist nicht alles: Beim Buchen von Business Plus verlängert sich ausserdem die Garantie auf ein gekauftes Produkt um ein weiteres Jahr. B2B-Kunden, die dann noch zwei Jahre Garantieverlängerung dazu kaufen – was bei den meisten Artikeln möglich ist – erhalten somit insgesamt fünf Jahre Garantie auf das bei Conrad erworbene Produkt.»
Wer hingegen als Privater günstiger zu Produkten von Conrad kommen will, wird allenfalls über Digitec fündig, wie Bonetti bestätigt. «Es ist richtig, dass Conrad Schweiz auf Digitec ein kleines Sortiment zu den dortigen Konditionen anbietet. Da es sich bei Digitec jedoch eindeutig um einen B2C-Marktplatz handelt, ist dieser Vertriebskanal im Hinblick auf die generelle strategische B2B-Ausrichtung nicht im primären Fokus.»
B2B-Shop auch in der Schweiz möglichHinsichtlich dieser B2B-Ausrichtung hingegen ist von
Conrad auch in der Schweiz in absehbarer Zukunft das eine und andere zu erwarten. Bereits heute verspricht Conrad Geschäftskunden nebst persönlicher Betreuung durch einen Aussen- wie auch einen Verkaufsinnendienst passgenaue B2B-Services, die entsprechend dem Bedarf und der Anforderung der Kunden ständig erweitert werden, wie Riccardo Bonetti verspricht. «Aktuell stehen unseren Kunden unter anderem ein Kabelkonfigurator, ein Leiterplattenservice, ein 3D-Druckservice und ein Kalibrierservice zur Verfügung.» Auch im Bereich Internet of Things stelle die Conrad-Sourcing-Plattform über Conrad Connect zahlreiche Umsetzungsmöglichkeiten für die Gebäudeautomatisierung zur Verfügung und unterstütze Geschäftskunden mit der sich dynamisch entwickelnden IoT-Plattform dabei, ihr Office in vielerlei Belangen smarter zu machen. Die erwähnte Conrad-Sourcing-Plattform bezeichnet Bonetti als digitale Plattform für technischen Betriebsbedarf respektive als umfassendes Ökosystem, mit dem die Beschaffung für B2B-Kunden ganz einfach und schnell funktionieren soll – unter anderem dank einfacher Suche, Preisvergleichen und Self-Service-Funktionalitäten.
Als Erweiterung dieser Conrad-Sourcing-Plattform hat Conrad in Köln in diesem Sommer einen B2B-Shop als Pilotprojekt eröffnet, den man nach einer hoffentlich erfolgreichen Testphase weiter ausrollen wolle. «Sollte dies der Fall sein, wird sicherlich auch eine mögliche Umsetzung eines solchen Konzepts in der Schweiz in Betracht gezogen.» Mit dem Shop, der ausschliesslich für Geschäftskunden zugänglich ist, wolle man diesen – «allen Errungenschaften der Digitalisierung und Automatisierung zum Trotz» – persönliche Ansprechpartner und Technikexperten zur Verfügung stellen, erklärt Riccardo Bonetti. Diese Experten kommen für eine individuelle Beratung auch in den Handwerksbetrieb oder sogar direkt auf eine Baustelle, wenn die Zeit knapp und Not am Mann ist. «Ausserdem gibt es im neuen B2B-Shop die Möglichkeit, direkt vor Ort kleinere Reparaturen elektronischer Art vorzunehmen.»
Sollte dieses Shop-Konzept dereinst auch in der Schweiz ausgerollt werden, werde man ebenfalls prüfen, inwieweit dort Click&Collect-Angebote für Private möglich seien, verrät Bonetti zum Abschluss noch. Aktuell ist in diese Richtung allerdings noch nichts geplant, auch wenn Bonetti erklärt, Conrad sei ein «überzeugter Omnichannel-Anbieter. Dieser Ansatz hat uns gross und erfolgreich gemacht.» Mag sein, sicher ist aber: Ab kommendem Jahr ist dieser Omnichannel hierzulande bis auf weiteres um einen Kanal ärmer.
(mw)