Viel wurde diskutiert in den letzten Wochen und Monaten, wie die einzigartige und hochstehende Höhere Berufsbildung in der Schweiz gestärkt werden kann. Dabei wird alle Hoffnung auf die Einführung von ergänzenden Berufstiteln wie «Professional Bachelor» und «Professional Master» gesetzt. Einige Branchenverbände sehen bei der inflationären Flut an DAS-, CAS- und MAS-Weiterbildungen an den Hochschulen ihre Felle davon schwimmen.
Doch schauen wir genauer hin: Sind diese Titel wirklich notwendig? Helfen sie uns tatsächlich, mehr Fachkräfte zu generieren? Man kann geteilter Meinung sein und abschliessend wird diese Frage heute wohl niemand beantworten können.
Fakt ist, dass die eidgenössischen Prüfungen im Bereich der Höheren Berufsbildung seit Langem eine hervorragende Qualifikation für eine Berufskarriere bieten. Vor allem im Berufsfeld der ICT bewegen sich die Aus- und Weiterbildungen auf einem aussergewöhnlich hohen Niveau. Das wird attestiert durch die Einstufung im Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR), der ebenso eine Referenz zum Europäischen System bildet (EQR). Die ICT-Abschlüsse der Höheren Berufsbildung bewegen sich auf den ausgezeichnet hohen Niveaus der Stufe 6 und 7. Gut zu wissen: Ein Kompetenznachweis auf Stufe 6 ist äquivalent zu einem Hochschulbachelor, eine Stufe 7 äquivalent zu einem Hochschulmaster. Wovon bei einer MAS-Weiterbildung keineswegs die Rede sein kann.
Titel existieren zunächst mal nur auf dem Papier und sagen herzlich wenig darüber aus, welche Fähigkeiten und Erfahrungen eine Fachperson tatsächlich mitbringt. In der ICT-Branche ist es jedoch entscheidend, was man tatsächlich praktisch kann. Es geht darum, in der Lage zu sein, Probleme zu lösen, kreativ zu sein, sich an neue Herausforderungen anzupassen und komplexe Situationen zu bewältigen. Und genau das ist es, was die Ausbildung im Bereich der Höheren Berufsbildung vermittelt und was wir von ICT-Berufsbildung Schweiz unabhängig und nach nationalem Standard prüfen. An den eidgenössischen Prüfungen stehen praktische Kompetenzen im Vordergrund und nicht theoretische Grundlagen. Ein Cyber Security Specialist zum Beispiel hat dann den eidgenössischen Abschluss verdient, wenn er oder sie anspruchsvolle Challenges in einem virtuellen Lab hands-on bewältigen kann. Da nützt kein theoretisches Wissen.
Was die eidgenössischen Abschlüsse zudem auszeichnet, ist folgende Tatsache: Die Anforderungen an die Kompetenzen der Studierenden werden einzig anhand der Bedürfnisse des Arbeitsmarktes und immer in Zusammenarbeit mit Vertretenden der Wirtschaft definiert. Hier stehen nicht die wirtschaftlichen Interessen von Kursanbietern im Vordergrund.
Titel, vor allem wenn sie breit gestreut werden, laufen Gefahr, schnell an Wert zu verlieren. Nicht dagegen ausgewiesene praktische Kompetenzen gepaart mit langjähriger Berufspraxis.
Bestenfalls helfen uns die neuen Titel, dass HR-Verantwortliche künftig zwei Punkte besser verstehen können: Erstens, warum eidgenössische Fachausweise und Diplome den Hochschulabschlüssen bei Weitem das Wasser reichen können. Und zweitens, warum sie ideale Kandidatinnen und Kandidaten für anspruchsvolle Fach- und Führungsfunktionen sind. Denn sie sind diejenigen, die ihren Kompetenzausweis durch anspruchsvolle praktische Prüfungen belegen mussten und dabei erst noch viele Jahre Berufserfahrung mitbringen.
Wenn es also darum geht, eine Karriere in der ICT-Branche zu starten oder voranzutreiben, ist eine hervorragende, kompetente Ausbildung wichtiger, als irgendein Titel, der kaum hält, was er verspricht.