Kurz vor Weihnachten kam Bewegung in die Schweizer IT-Szene. Die Zuger
RedIT und der ehemalige New-Economy-Börsenstar Think Tools gaben Fusionsabsichten bekannt. Hinter dem auf den ersten Blick abenteuerlichen Vorhaben steckt erstens die Tatsache, dass Think Tools unterdessen so klein ist und so geringe Wachstumsperspektiven aufweist, dass eine Börsenkotierung nicht mehr gerechtfertigt ist.
Andererseits wäre RedIT nach der Fusion an der Schweizer Börse kotiert und käme so zu einer «Währung» (eigene Aktien), um über Fusionen und Akquisitionen zu wachsen. Der Deal erinnert an die Übernahme des gescheiterten Software-Herstellers Complet-e durch Pragmatica, doch sind die Voraussetzungen anders. RedIT ist wesentlich grösser als Pragmatica seinerzeit war und Think Tools hat noch Bargeldreserven.
Nur noch zwei Player im Schweizer IT-Midmarket?
RedIT-Chef Andreas Kleeb (Bild) ist überzeugt, dass die Schweizer IT-Branche vor einer tiefgreifenden Restrukturierung steht. «Globale Player werden die multinationalen Firmen versorgen, während nur zwei bis drei IT-Firmen den Mittelstand mit einem kompletten Angebot und schweizweit bedienen können.
Kleinere VARs werden nur in geografischen Nischen oder hochspezialisiert überleben», so Kleebs Einschätzung.
RedIT sei heute selbst mit 240 Mitarbeitenden noch zu klein, um alle Bedürfnisse der Kunden abdecken zu können. «Es gibt noch viele Disziplinen im IT-Geschäft, die wir nicht so lückenlos beherrschen, wie wir es gerne täten», so Kleeb.
Partnernetzwerke sind für ihn keine echte Alternative, denn ein Partner würde nie die gleiche Energie auf die Akquisition von Aufträgen für eine Drittfirma aufwenden wie für sich selber.
Think Tools soll überleben
Think Tools ist heute eine vergleichsweise winzige Firma mit einem Umsatz von noch 569’000 Franken im 3. Quartal letzten Jahres, bei einem Nettoverlust von 1,5 Mio. Franken. Unter der Führung von Verwaltungsratspräsident Markus Dörig soll das US-Geschäft abgestossen oder die Aktivitäten ganz eingestellt werden und die Firma in Deutschland, wo sich auch der wichtigste Absatzmarkt befindet, konzentriert werden.
Kleeb verneint dezidiert Absichten, nach einer Fusion Think Tools zu verkaufen oder gar zu schliessen. Er sieht durchaus Synergien zwischen
RedIT und Think Tools. So bestehen Überlegungen, die Software-Entwicklung bei RedIT zu konzentrieren und den RedIT-Consultingarm zu verstärken.
Denn Think Tools sei heute eine Consulting-Firma und die Software ein Tool zur Visualisierung der Beratungsprozesse, so Kleeb: «Mit Business Consulting kommen wir früher in Projekte hinein.» Hingegen schliesst der Zuger Expansionspläne für RedIT nach Deutschland aus. RedIT wolle im Schweizer Markt wachsen und die Fehler von anderen, die mit einem Schweizer Service-Angebot in Deutschland scheiterten, nicht wiederholen.
«Eine Herausforderung»
Dass Andreas Kleeb Risiken nicht scheut, weiss man spätestens seit der gescheiterten Fusion mit der Simultan-Gruppe. Schon damals standen übrigens Börsenpläne im Hintergrund des Versuchs, eine grosse Schweizer IT-Gruppe mit eigener Business-Software und Systemintegration im Angebot aufzubauen.
Auch die geplante Fusion mit Think Tools ist nicht ohne Risiko für
RedIT, denn Think Tools hat heute in der Schweiz aufgrund der vielen uneingelösten Versprechungen beim Börsengang nicht gerade einen guten Ruf. Zusätzlich ist eine Börsenkotierung mit nicht wenig Kosten verbunden. Kleeb nennt denn auch die geplante Fusion «eine Herausforderung».
Konsequenterweise soll der Name Think Tools als Firmenname verschwinden und nur noch als Marke für die Software weiterbestehen. Und Kleeb ist überzeugt, dass Think Tools unter der Leitung von Dörig, der seit anfangs 2003 am Ruder ist, den Turnaround schaffen wird und das verlorene Vertrauen wieder gewinnen kann.
Think Tools und RedIT unterziehen sich in den ersten Monaten dieses Jahres einer gegenseitigen Prüfung auf versteckte Risiken, bevor die Aktionäre zu entscheiden haben, ob die Fusion zustande kommt. Das neue Jahr beginnt spannend in der VAR-Szene. (hc)