Standard-Business-Software zwingt die Unternehmen bekanntlich immer wieder, ihre Abläufe der Software anzupassen. Zudem ist sie oft mit Funktionen belastet, die nicht in jedem Fall benötigt werden. Dennoch kamen die Entwickler individueller Software aus Zeit- und Preisgründen immer stärker ins Hintertreffen.
Mit dem «Olivanova Model Execution System» von Care Technologies könnte sich das ändern. Stephan Jung (Bild), als Consultant bei Care für Baden-Württemberg und die Schweiz zuständig, gegenüber IT Reseller: «Olivanova ermöglicht, selbst komplexe betriebswirtschaftliche Anwendungen innerhalb kurzer Zeit automatisch und fehlerfrei zu erstellen. Damit wird Software, die genau auf die Bedürfnisse eines Kunden zugeschnitten ist, auch ohne Offshoring wieder erschwinglich.»
Deutsch-spanisches Unternehmen
Olivanova wurde von Wissenschaftlern an der Universität von Valencia unter der Leitung des Informatik-Professors Dr. Óscar Pastor entwickelt. Es handelt sich um eine Programmiermaschine, die auf der Model Driven Architecture (MDA) basiert, einem von der Object Management Group standardisierten Framework. Als der deutsche Unternehmer Siegfried Borho, der in Alicante verschiedene Firmen besitzt, für seine Unternehmen neue Software suchte, kam er auch mit Pastor ins Gespräch. Von den Programmen, die ihm dieser mit seiner Maschine erstellte, war er derart begeistert, dass er das Projekt an der Universität von Valencia finanzierte und später als Spin-Off unter dem Namen Care Technologies übernahm und in seinen Konzern eingliederte.
Realisierte MDA-Vision
Auf MDA basierende Programmiersysteme erlauben, anhand eines Modells die Struktur von Software zu planen und aufgrund der Geschäftsprozesse plattformunabhängige Modelle für Software zu erstellen. Doch im Gegensatz zu bisherigen Modellierwerkzeugen wie Rational Rose von
IBM oder Together J, erstellt Olivanova keine Programmskelette, an die noch Hand angelegt werden muss, und verwendet auch keine Fertigbausteine. Die Transformation Engine fügt genau die im Modell beschriebenen Funktionen in der gewünschten Programmiersprache in ein Framework ein. Dies ermöglicht eine vollständige und plattformunabhängige Transformation in funktionierende Software für Client/Server-Applikationen. Als Sprachen stehen zurzeit Java, Visual Basic, J2EE, Cold Fusion, C# und .Net zur Verfügung. Olivanova dürfte somit die erste voll funktionsfähige Realisation von MDA sein.
Vier Schritte zum Programm
Das Modellieren des Projekts läuft in vier Schritten ab. Ein statisches Modell erfasst zunächst die Objekte und deren Beziehungen untereinander. Dann definiert der Analyst die benötigten Formeln. In einem dynamischen Modell werden anschliessend das Laufzeitverhalten und die Aktionen jeder Klasse festgelegt, bevor im Präsentationsmodell auch noch die Oberfläche definiert wird.
Diese Konzentration auf die Business-Logik, ohne Rücksicht auf die technische Umsetzung, ermöglicht es, Probleme schon beim Modellieren im Beisein des Kunden zu erkennen. Das endgültige System kann dann auf Knopfdruck in einer beliebigen Sprache angefordert werden. Ein Modell oder Teile davon lassen sich beliebig oft für jede Plattform und Sprache wieder verwenden.
Fachleute schätzen, dass die aus Programmfehlern sich ergebenden Produktionsausfälle allein in den USA jährlich weit über 50 Milliarden Dollar betragen. Daher überprüft ein eigens entwickeltes und inzwischen in den USA patentiertes Validierungsverfahren das gesamte Modell auf Vollständigkeit, Eindeutigkeit und Korrektheit, bevor es in XML übersetzt und zur Umsetzung in Sourcecode an die Programmiermaschine übergeben wird. So wird verhindert, dass später in langwierigen Verfahren Fehler gesucht und von Hand ausgebessert werden müssen.
Skeptiker überzeugen
Mittlerweile wurde die Programmiermaschine von Veritest getestet, von
Microsoft zertifiziert und von Gartner Research bewertet. Dabei wurden, wie Jung ausführt, mehrere von Olivanova erstellten Programme mit Software verglichen, die auf herkömmliche Weise und mit halbautomatischen Codegeneratoren geschrieben wurde. Das Resultat: Laut Gartner läuft der Entwicklungsprozess von der Idee bis zur fertigen Software mit der Programmiermaschine bis zu 47-mal schneller ab.
Dennoch, meint Jung, würden Kunden und Partner oft erst an die Leistung der Programmiermaschine glauben, wenn sie die Projektentwicklung selber miterlebt hätten. Care bietet daher einen kostenlosen Workshop mit einem Proof of Concept an: «Dass sie dabei ihr eigenes Projekt innert kürzester Zeit entstehen und als Prototyp laufen sahen, überzeugte auch die grössten Skeptiker», sagt Jung.
Schneller und günstiger
Bisher wurden mit Olivanova rund einhundert Kundenanwendungen entwickelt. Care Technologies arbeitet zurzeit mit zwei grossen Systemhäusern in den USA und Deutschland zusammen. Die zu Care Technologies gehörende Integranova betreut Kunden überdies auch direkt. Dabei werden die Projekte nicht nach Code-Zeilen (die von der jeweiligen Sprache und dem Können des Programmierers abhängen) oder nach Aufwand abgerechnet, sondern mit der als objektiv geltenden Funktionspunktberechnung nach dem IFPO-Standard. Projekte würden auf diese Weise, wie Jung sagt, nicht nur sehr schnell abgewickelt, sondern auch markant günstiger. (fis)