Ball im Netz der Digitalwelt

Der weltweit drittgrösste Sportanlass startet in der Schweiz und in Österreich. Jahrelang wurde die Euro 08 vorbereitet. Im Vorfeld arbeiten die Installateure im Stadion wie die Ameisen im Hügel. Swisscom und Telekom Austria leisten als offizielle Ausrüster die Hauptarbeit für die Turnier-Organisation und haben dafür tüchtig in die eigene Tasche gegriffen. Wir haben hinter die Kulissen geschaut.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2008/10

     

Der weltweit drittgrösste Sportanlass nach den Olympischen Spielen und der Fussball-Weltmeisterschaft kommt in die Schweiz. Die Infrastruktur der Uefa für die Euro 08 vom 7. bis 29. Juni wird von verschiedenen IT- und CE-Firmen installiert und betrieben. Der Löwenanteil fällt den beiden offiziellen Ausrüstern Swisscom und Telecom Austria zu, die seit zwei Jahren den Grossanlass vorbereiten. Weitere offizielle Ausrüster und Sponsoren sind JVC und Canon.


Swisscom ist für die Datennetzwerke in der Schweiz und die Bildübertragungen in beiden Ländern verantwortlich. Für die Datennetzwerke in Österreich ist Telecom Austria zuständig. Organisatorisch sind Daten- und Bildübertragung bei der Swisscom getrennte Geschäftseinheiten.
Die gesamten Investitionskosten für Swisscom beziffert Urs Schaeppi, Mitglied der Konzernleitung und Leiter des Geschäftsbereichs Grossunternehmen, auf einen einstelligen Millionenbetrag. «Wir haben ausserdem die Kosten der Uefa abgegolten», so Schaep­pi. Swisscom verfügt damit über die allgemeinen Rechte der Euro 08 für die eigene Vermarktung in der Schweiz, die nochmals schätzungsweise 5 bis 8 Mio. Franken kosten.

Datennetz mit 6700 Anschlüssen

Das Datennetz umfasst die Stadien, den Hauptsitz der Event-Organisation in Basel und die weiteren Hotels der Uefa in jedem der acht Austragungsorte. Dies sind in der Schweiz: Bern, Basel, Zürich und Genf. In Österreich empfangen Wien, Innsbruck, Klagenfurt und Salzburg die Mannschaften und Fans zu den Spielen.

Insgesamt werden über Funk und Kabel 6700 Anschlüsse an 25 Standorten in der Schweiz mit dem Datennetz verbunden. Neben Diensten für die Presse umfasst das Datennetz Unterkünfte und Applikationen der Uefa und die Anbindung an deren Rechenzentrum in London. «Das bestehende Mobilnetz wird in den Austragungsorten und rund um Fan-Zonen auf den neuesten Stand gebracht; damit lässt sich die zu erwartende Höchstbelas­tung verkraften», sagt Swisscom-Gesamtprojektleiter der Infrastruktur, Rolf Bachofner. «Die Swisscom betreibt während der Euro dreizehn unabhängige Netze, die auf Spitzenleis­tung ausgelegt sind», sagt Schaeppi.Dies seien hochredundante Netze. «Haupt-Herausforderung ist nicht das Netz, sondern der Service vor Ort», so Schaeppi. In drei Wochen baut die Swisscom innerhalb eines genau definierten Zeitfensters einen Grossteil der Infrastruktur in den Stadien auf. 1200 Ports pro Stadion sind vorbereitet für Sportreporter aus der ganzen Welt. Insgesamt 7000 Journalisten werden zur Euro erwartet. Pro Spiel wird mit rund 1000 Journalisten und 120 bis 200 Fotografen gerechnet. Jedes Schweizer Stadion ist mit einer Leistung von 2 Gigabyte an das Datennetz angebunden.

Stadien im Ausnahmezustand

Mit der Übergabe der Schlüssel von Stadien an die Uefa laufen die Installationen seit 12. Mai auf Hochtouren bis zum Start am 7. Juni. Aufgrund der Sicherheitsbestimmungen sind seither auch die Zugänge zu den Stadien streng reglementiert. Laut Unternehmensangaben sind insgesamt 1300 Mitarbeitende für Swisscom im Einsatz, davon sind 300 Techniker laufend involviert. Techniker der Swisscom müssen nachweisbar während drei Wochen ohne Unterbruch abrufbar sein, ansonsten erlaubt ihnen die Uefa keine Freigabe zu den Plätzen.

Die Uefa sorgt für den Strom und die Kühlung, die Swisscom und Telekom Austria liefern das Netz und den Service. «Die Kühlung musste in den Stadien verbessert werden», sagt Bachofner. Zulieferer der Swisscom sind unter anderem Cisco für Switches (Gigabit-LAN über Glasfaser), Sun Microsystems für Server und Workstations und Ericsson mit PBX (Private Branch Exchange). Ausserdem kommen die Monitore von Samsung und kleine Arbeitsplatzdrucker von HP bei Swisscom zum Einsatz. Weitere Ausrüstung wie IBM-Server oder spezialisiertes Personal werden von Swisscom IT Services zur Hilfe gestellt, wie es bei vielen Grossprojekten üblich ist.


Zu den Datennetzen gehören auch die Überwachungssysteme der Polizei, die in Zürich von Cisco (rund 50 Kameras um das Stadion) und in Basel (bis 72 in Stadion und Bahnhof zusammen) von Alcatel-Lucent geliefert wurden. Der Zugang zu den Bildern ist wegen des Datenschutzgesetzes streng limitiert.

Bildübertragung erstmals bei Uefa

Die Uefa hat erstmals in der Geschichte der Europameisterschaft seit 1960 die Produktion des TV-Signals selbst übernommen. Die Infrastruktur der Bildübertragung ist darauf ausgelegt, gleichzeitig zwölf HD-Signale und 18 TV-Signale in Standardauflösung zu verkraften. Die Übertragung ist vierfach abgesichert mit je zwei Glasfaser-Leitungen und zwei Satelliten-Verbindungen. Die Doppelleitungen mussten neu gebaut werden; dafür haben Swisscom und Telekom Austria zusammengearbeitet. Swisscom überwacht und verantwortet im Auftrag der Uefa die Übertragung der HD-Bilder bis nach Wien.


Die Aufbereitung der Bilder für die weltweiten Sendepartner übernimmt das International Broadcasting Center in Wien. Von dort beziehen das Schweizer Fernsehen und alle anderen Fernsehstationen die Bilder. Für die Übertragung sind Leitungen von rund 60 bis 90 Gigabyte pro Sekunde Gesamtkapazität verlegt. Laut Telekom Austria reicht dies aus, um eine DVD von zwei Stunden Spiellänge in einer halben Sekunde zu übertragen.
Die übertragene Gesamtdatenmenge der Euro wird auf 2 Petabyte (2000 Terabyte) geschätzt. Das entspricht der dreifachen Datenmenge, die bei einer Digitalisierung der österreichischen Nationalbibliothek anfallen würde. Im Habsburger Kaiserreich war sie bis zum Ende des Ersten Weltkrieges als Wiener Hofbibliothek eine der umfangreichsten Universalbibliotheken der Welt.

Sponsoren geben Millionen aus

Weitere bekannte IT- und CE-Sponsoren mit Zulieferkompetenzen sind Canon und JVC. Canon Europa ist als Event-Sponsor für Benq eingesprungen, deren Management aufgrund der gescheiterten Siemens-Mobile-Übernahme und tausendfachen Entlassungen im Februar 2007 die Notbremse zog. Canon hat im Rahmen des Engagements zur Euro 2008 die globalen Vermarktungsrechte für den Anlass erworben. Weitere Event-Sponsoren sind Continental, Adidas und Castrol.

JVC liefert LCDs, Frontprojektoren und Kameras für die Uefa und Sponsoren, beispielsweise für die VIP-Loun­ges bei den Stadien und Fan-Zonen. Ausserdem werden die Presseboxen in den Stadien mit 15-Zoll-LCDs ausgerüstet. JVC verfügt als einer der sechs Uefa-Hauptsponsoren vier Jahre lang über weltweite Werberechte für sämtliche Nationalmannschaftswettbewerbe. Diese Uefa-Eurotop-Partner sind unter anderem auch Coca-Cola und Mastercard. Dies ist die höchste Stufe des Sponsorings und wird laut «Bilanz» auf einen Preis von rund 40 Mio. Franken geschätzt. Zu diesem Sponsorenpaket gehören sieben Veranstaltungen (ohne Clubwettbewerbe wie die mindestens so lukrative Champions League) zwischen 2006 und 2009, einschliesslich der Euro 2008, der U21-Europameisterschaft, der Europameisterschaft für Frauen und der Futsal-Europameisterschaft.


Den Druck- und Kamera-Service in allen 8 Stadien darf Canon Schweiz übernehmen. Der Kameraservice um­fasst die Überprüfung der Ausrüstung, sofortige Ausführung klei­nerer Reparaturen, Backup-Service mit Austauschgeräten (soweit vorhanden) sowie Beratung und Information. Ausserdem richtet Canon Druckzentren für Journalisten und Funktionäre in Stadien ein. 15 bis 17 Personen von Canon Professional Imaging sind in zwei Teams auf die Stadien verteilt.

Uefa-Verband und -Firmen unter Strom

Die Organisation der Uefa Euro 2008 hat die Firma Euro 2008 SA in Nyon (VD) unter der Geschäftsfühung von Martin Kallen. Dies ist eine Firma im Auftrag der Vereinigung Europäischer Fussballverbände, kurz: Uefa (Union of European Football Associations). Uefa ist der Fussball-Dachverband für den europäischen Kontinent. Die Bereitsstellung von Medieneinrichtungen und Diensten in den Stadien ist eine der Hauptaufgaben der Euro SA.
Die Uefa hat erstmals in der Geschichte der Europameisterschaft seit 1960 die Produktion des TV-Signals selbst übernommen. Die Firma Uefa Media Technologies (Umet) ist Uefas Technik-Arm für digitale Medien. Umet evaluriert, integriert und überwacht die Weblösungen, die IT-Bedürfnisse und die Fernsehübertragung für die Uefa. Sie hat ausserdem den Auftrag, das Wissen für digitale Konvergenzen im Dienste des Fussballs und der Fans zu entwickeln, wie es in der eigenen Firmenbeschreibung heisst. Umet betreibt das International Broadcasting Center in Wien, das die Bilder an Fernsehen und Internet verteilt. Die belgische Firma EVS Broadcast Equipment lieferte für 2 Mio. Euro die Ausrüstung von unter anderem 60 Servern. (Marco Rohner)


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