Obwohl in den Medien erste Berichte zu einem nahenden wirtschaftlichen Aufschwung kommuniziert werden, kommt gerade in Unternehmen in der Schweiz die Krise erst jetzt richtig an. Auch die Schweizer IT-Distributoren sind davon nicht verschont geblieben. IT Reseller hat sich in einer Kurzumfrage bei den grossen IT- und CE-Distis umgehört, wie es ihnen in Zeiten der Krise geht, und welche Massnahmen sie getroffen haben, um einigermassen unbeschädigt wieder daraus hervorzugehen.
Kurzarbeit bei Rotronic
Die konkretesten und wohl auch einschneidendsten Massnahmen hat der Bassersdorfer Distributor und Computerhersteller Rotronic mit der Einführung von Kurzarbeit getroffen. Rund 40 Prozent der insgesamt 170 Mitarbeitenden mussten ihr Pensum auf 70 Prozent reduzieren. Als Gründe werden starke Einbrüche im Bestelleingang aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage angegeben. Betroffen sind Mitarbeiter in praktisch allen Bereichen der Firma abgesehen vom Lager, der Produktion (um die Lieferbereitschaft zu gewährleisten) und vom IT-Dienstleistungs-Bereich.
«Im IT-Dienstleistungs-Umfeld suchen wir sogar noch Leute, weil wir hier bis über beide Ohren in Arbeit stecken. Es ist schon fast paradox», so Christian Zengaffinen, Kommunikationsverantwortlicher bei
Rotronic, gegenüber Swiss IT Reseller. Probleme bereitet dem Distributor vor allem das Geschäftsfeld Electronic Packaging, in dem 19-Zoll-Systeme für den Kunden massgeschneidert werden.
«Dieser Bereich ist stark von der Industrie abhängig und kämpft entsprechend am meisten», so Zengaffinen. Mit der Kurzarbeit wolle man auch Kündigungen zuvorkommen, erklärt Zengaffinen weiter. «Die Massnahme ist bei den meisten Mitarbeitern auf Verständnis gestossen», so der Manager. Man spüre seitens der Mitarbeiter, dass man gemeinsam mit der Firma durch die Krise wolle, so der Rotronic-Mann weiter. «So ist auch noch kein Angestellter aufgrund der Kurzarbeit ausgetreten.»
Kosten unter Kontrolle halten
Alle anderen befragten Distributoren haben weder Lagerüberkapazitäten noch planen sie Kurzarbeit oder gar Entlassungen, ausgenommen
Tech Data (Swiss IT Reseller berichtete).
Tech Data wird die Angebotspalette erweitern und die Organisation den Rahmenbedingungen anpassen, wie es kürzlich in einer Pressemitteilung hiess. Die Umstrukturierung umfasst auch Kündigungen. Der Grossteil der Anpassungen werde aber durch interne Wechsel, punktuelle Anpassungen im Arbeitspensum und Strukturänderungen realisiert.
Zudem wurde per
1. Juli eine neue Organisationseinheit geschaffen, in der sowohl Verkaufs- als auch Marketingfunktionen für das Consumer-Segment zusammengefasst werden. Damit wolle man für einen kurzen Kommunikationsweg zwischen Reseller, Hersteller und Distributor sorgen. «Mehr Aufwand und Anfragen für weniger Umsatz», fasst Tech-Data-Chef Manfred Steinhardt seine Antwort auf die Frage, wie sich die Krise in seinem Unternehmen äussert, knapp zusammen.
Tech Data hat gerade die Zahlen für das zweite Quartal 2009 veröffentlicht. Der Umsatz ist gegenüber Q2/08 von 6,166 auf 5,183 Mrd. Dollar gesunken, was einem Rückgang um 15,9 Prozent entspricht. Der operative Gewinn ist von 42,2 Mio. im Q2/08 auf 53,7 Mio. Dollar gewachsen, der Nettogewinn von 22,1 auf 35,2 Mio. Dollar. «Tech Data Schweiz hat im Q2 das Budget knapp verpasst», sagt Steinhardt. Der Umsatzrückgang habe sich aber mit
6 Prozent sehr in Grenzen gehalten. Nach einem schlechten Mai habe der Umsatz im Juni und Juli sehr stark angezogen. Der durchschnittliche Verkaufspreis stehe weiterhin sehr unter Druck. Teilweise würden die PCs mit gleicher Spezifikation um 15 Prozent billiger verkauft als im Vorjahr, so Steinhardt. «Im PC-Consumer-Geschäft liefern sich die Hersteller eine Preisschlacht. Im B2B/Commercial-Geschäft fehlen die Grossprojekte, und es werden deutlich tiefere Volumen umgesetzt als im Vorjahr. Weiterhin sehr gut entwickelt sich das Enterprise-Softwaregeschäft», so Steinhardt abschliessend.
Investitionsstopp bei Grosskunden
«Neueinstellungen gibt es bei uns nur punktuell», sagt Ingram-Chef Joe Feierabend. «Momentan ist es sehr wichtig, die Kosten unter Kontrolle zu halten», so Feierabend weiter. Ingram hat seinen Personalbestand dem Geschäftsverlauf im ersten Quartal bereits angepasst.
«Wir überprüfen laufend unsere Strukturen und Ressourcen und passen sie der jeweiligen Marktsituation an. Abgänge versuchen wir, wo immer möglich, intern zu besetzen», ergänzt Also-Chef Marc Schnyder. Alltron hingegen scheint der Krise zu trotzen: «Wir haben noch eine ganze Reihe offener Stellen in den Bereichen Informatik, Marketing und Support zu besetzen», sagt Malte Polzin, Leiter Marketing bei
Alltron. «In der momentanen Phase investieren wir in Mitarbeiter und Logistikkapazitäten beziehungsweise optimieren diese. So wollen wir für die Zeit nach der Krise gut gerüstet sein», so Polzin.
Nach wie vor scheint das Konsumklima bei Privatanwendern in der Schweiz noch einigermassen intakt zu sein, wie Schnyder von
Also gegenüber Swiss IT Reseller festhält. «Es fehlen aber nach wie vor die grossen Projekte», so Schnyder. «Die Nachfrage im Consumer-Bereich ist gut, momentan scheinen die Corporate-Kunden am meisten zu leiden – Investitionsstopps bei Grosskunden», doppelt Joe Feierabend von Ingram nach.
Auftragseingang auf tiefem Niveau
Bei
Alltron haben sich die Aufträge in den letzten Monaten sogar leicht positiv entwickelt, wie Polzin sagt. Auch die Umsatztendenz für die nächsten Wochen sei positiv. «Wir sind sehr breit aufgestellt und sehen keine bereichsspezifischen Effekte.»
«Der Auftragsbestand im Sommer ist besser als 2008», sagt auch Steinhardt von
Tech Data. Beim Rotkreuzer Distributor laufen die Geschäfte mit Software derzeit gut, jene mit Business-PCs und -Laptops eher schlecht. Trotzdem bewege man sich umsatzmässig im Rahmen des Budgets, respektive der Erwartungen. «Wir haben generell 10 Prozent weniger Umsatz für 2009 erwartet», so Steinhardt.
«Der Auftragsbestand hat sich auf tieferem Niveau stabilisiert, die Bestände sind vernünftig dotiert», sagt auch Joe Feierabend von Ingram. Bei
Also ist die Auftragslage – mit saisonalen Schwankungen – praktisch unverändert in den letzten Monaten, sagt Schnyder.
Wann kommt der Aufschwung?
«Die Schweiz wurde spät von der Rezession erfasst und wird wahrscheinlich auch später aus der Rezession rausfinden», sagt Joe Feierabend. Die Schweiz als Exportland werde erst wieder auf Touren kommen, wenn wichtige Partner wie beispielsweise Deutschland wieder zulegen, ist Feierabend überzeugt. «Das könnte noch mehrere Quartale dauern.»
Polzin geht von einer langsamen Erholung der Wirtschaft über einen Zeitraum von 24 Monaten aus. «Wir denken, es wird keinen rapide einsetzenden Aufschwung geben», so der Alltron-Mann.
«Die Krise betrifft praktisch alle Unternehmen und Industrien in der Schweiz. Sie ist aber auch für gut positionierte Firmen eine Chance. Wir wollen diese Chance mit unseren Mitarbeitenden nutzen und unsere Marktposition in der Schweiz weiter stärken», gibt sich Marc Schnyder optimistisch.
Also rechnet allerdings nicht vor Mitte 2010 mit einer Verbesserung der Situation.
Der Zeitpunkt sei unsicher, aber vieles sei möglich, postuliert Manfred Steinhardt. «Erneuerungsinvestitionen können nicht ewig aufgeschoben werden», so der Tech-Data-Chef abschliessend. (sk)