Es ist Donnerstagnachmittag, der 19. März 2009 und ein Tag, der in die Geschichte der Schweizer ICT-Verbände eingehen wird: Um 16.15 treffen sich in Zürich die Mitglieder von Swiss ICT und SI zu ihrer jährlichen Generalversammlung, um neben den üblichen Traktanden wie die Genehmigung der Jahresrechnung, der Bewilligung des Budgets fürs laufende Jahr, den Berichten aus den Fachgruppen und den Wahlen in den Vorstand über den wichtigsten Versammlungsgegenstand zu befinden, der Abstimmung über die geplante Fusion von Swiss ICT, SI und dem Dachverband ICT Switzerland.
Im Foyer des Hotels im Zürcher Industriequartier sind Mitglieder der beiden Verbände rechtzeitig versammelt, und sie alle beschäftigt zu dieser Stunde, wie zu erwarten war, vor allem die geplante Fusion, über die in der Vergangenheit unterschiedliche Erfolgsaussichten die Runde machten. Das vergangene letzte Jahr, dem Jahr der Informatik notabene, war fast ausschliesslich die Rede davon, dass der Fusion nichts mehr im Weg stünde. Insbesondere von Seiten Swiss ICT und ICT Switzerland war einstimmig eitel Freude darüber zu vernehmen, dass die Mehrheit der Beteiligten einen Zusammenschluss befürworten würden.
In den letzten Wochen und Tagen jedoch wurden Stimmen laut, die ein Scheitern des Vorhabens prohezeiten. Man hörte von diversen Seiten (zuletzt war die Kunde gar bei den Befürworten angekommen), es könnte höchst knapp werden, insbesondere deshalb, weil der Telco-Verband Asut und die Verbände aus der französischen und italienischen Schweiz sich dagegen stemmen. Und so war denn heute bereits vor Beginn der Versammlung klar, dass die Abstimmungen über die Fusion überflüssig sein werden. So kam denn, was lange Zeit niemand erwartet hatte: Thomas Flatt, Präsident von Swiss ICT, machte gleich zu Beginn der Versammlung klar: Asut mit seinen 14 Stimmen, GRI (3 Stimmen), ICT SR, ATED, VLS und SARIT (mit je einer Stimme) haben der Fusion nicht zugestimmt, was einer Niederlage für Swiss ICT, SI und Simsa und ICT Switzerland gleichkommt.
Der Grund: Die Nein-Sager vereinen zusammen 21 Stimmen. Für eine Fusion wäre eine Dreiviertel-Mehrheit nötig gewesen, es hätte also mindestens 42 Ja-Stimmen gebraucht. "Wir haben die Situation unterschätzt", gab denn auch Flatt sofort zu, "wir hatten nicht das nötige Feingefühl zu merken, dass die Asut-Mitglieder die Fusion nicht unterstützen." Flatt bedauert im Gespräch mit IT Reseller die Tatsache, dass auch infolge der Abstimmungsbestimmungen der Zusammenschluss gescheitert ist: "Die Mehrheit der Stimmenden und die Mehrheit der Verbände war dafür", sagt Flatt, "zählt man die Asut-Stimmen allerdings ab, so sind es noch 6 von 42 Stimmen aus Informatik-Verbänden, die gegen eine Fusion sind."
In der Tat dürfte man sich vermutlich angesichts der sehr heterogenen Verbandslandschaft die Ziele zu hoch gesteckt, die Tatsache verharmlost und sich zu sicher gefühlt haben. Es stellt sich nun die Frage, ob eine Fusion von Swiss ICT, SI und Simsa als reinen Informatik-Verband nicht besser wäre. Der Verband SI hatte mehr als eine Stunde nach Beendigung der Sitzung von Swiss ICT seine Zusammenkunft noch längst nicht beendigt, weil die Diskussion den üblichen Traktanden vorgezogen wurde. Um ca. 19 Uhr wurde dann der für die Mitglieder beider Verbände geplante Meinungsaustausch zum Fusions-Thema offiziell abgesagt und der Apéro eröffnet.
Beim Versand dieses Newsletters dürften die letzten noch darüber diskutieren, wie es mit den Interessen der Informatikvertreter weitergehen soll, während sich die Mehrheit bereits auf dem Nachhauseweg im mittlerweile eingedunkelten und von einer steifen Brise durchwehten Zürich befindet. "Wir wollen die Telco-Vertreter von Asut nicht herausekeln", sagte beim Abschied Flatt zu IT Reseller, "aber wir brauchen eine Lösung, die die Interessen der Informatik in der Schweiz ermöglicht."
Dies wird auch nötig sein. Denn sowohl Politik wie Sponsoren haben in der Vergangenheit klar gemacht, dass sie eine einheitliche und starke Organisation als Ansprechpartner und Vertreter der IT-Industrie erwarten. Unabhängig aller Zahlenakrobatik und "wenn-dann"-Annahmen, werden die Verfechter der Fusion und damit die Vertreter der Informatik eine pragmatische Lösung sehr schnell in Angriff nehmen müssen, wollen sie weiger ihre Kräfte bündeln, Synergien nutzen und wieder einen gleich erfolgreichen Tag der Informatik durchführen, wie er 2008 dank vereintem Effort und ungebremster Verve stattgefunden hat. (mh)