VAR-Roundtable: Drei VARs – drei Strategien

Drei VARs unterschiedlicher Grösse und Ausrichtung, ein Marktforscher und ein Channel-Journalist sitzen an einem Tisch: Das zweite IT Reseller VAR-Roundtable brachte unterschiedliche VAR-Strategien zu Tage.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/13

     

Hugenschmidt: Beginnen wir das VAR-Roundtable 2001 mit einer kleinen Umfrage. Wo stehen die beteiligten Firmen heute? Wie haben Sie den «Digital Winter» überstanden und wie bewegen Sie sich heute im Markt?
Kleeb: Red IT hat sicher ein paar Herausforderungen hinter sich. Diese haben wir gemeistert und wir haben unsere Struktur gefunden. Natürlich haben wir den «Digitalen Winter» gespürt. Aber durch unsere Grösse und Ausrichtung hat er sich sehr differenziert ausgedrückt. Es gibt Bereiche, die sehr gut laufen und in denen wir nicht genügend Spezialisten finden. Andererseits gibt es Bereiche, wo wir unsere Leute nicht auslasten können.
Wir glauben, dass nachhaltiges Wachstum bei bestimmten Infrastruktur-Services erst Anfang 2003 wieder zu sehen sein wird. Bei spezialisierten Leistungen wie Storage sieht man schon wieder Nachfrage. In der Summe gab es eine radikale Verschiebung der nachgefragten Dienstleistungen. Die Veränderungsprozesse werden kürzer und heftiger.

Ziegler: Welche Services sind nicht mehr gefragt, welche sind gefragt?

Kleeb: Bei Roll-Out- und Client-Services sind nur noch kleine Projekte da. Bei Servern werden die Ansprüche höher und Storage läuft gut. Je spezialisierter eine Applikation ist, desto grösser ist heute die Nachfrage. Ein Beispiel ist der Bereich Steuern: Wir finden schlichtweg keine Leute mit IT- und Steuer-Know-how.
Hugenschmidt: Sind die Tendenzen für einen lokalen VAR, wie Glaronia es ist, ähnlich?
Mittner: Wir wohnen in der Provinz, sind regional tätig und haben deshalb eine andere Grössenordnung von Kunden. Unsere Kunden haben – natürlich gibt es Ausnahmen– fünf bis 20 Arbeitsplätze. Storage ist bei unseren Kunden zum Beispiel noch kein Thema. Wir haben drei Bereiche: Einerseits Hardware und Netzwerke für Kunden, die keine eigene IT-Abteilung haben. Diesen Kunden verkaufen wir auch Abacus. Dazu kommt der Schulungsbereich im Microsoft-Umfeld und ein kleiner Webhosting-Bereich.
Wir sind ein Familienunternehmen. Dadurch haben wir gute Bindungen untereinander. Die Arbeit ist unser Leben. Beim Übergang 99 / 2000 haben unsere Kunden ihre Investitionen vorgezogen und wir erwarteten, dass das Jahr darauf ruhiger würde. Die Investitionen unserer Kunden gingen tatsächlich zurück, unsere Umsätze blieben aber etwa im gleichen Rahmen. Die Nachfrage hat sich in Richtung Dienstleistungen verschoben. Wir hatten mehr Zeit und konnten mehr Dienstleistungen verkaufen. Die Internet-Erschliessung der Kunden wurde besser, wodurch sich ein grösserer Bedarf nach Schulung ergab und immer noch ergibt. Im Abacus-Bereich hatten wir letztes Jahr einige gute Projekte von Kunden, die von SBS abgesprungen sind.
Dieses Jahr sieht das Bild ähnlich aus. Es gibt weniger HW-Projekte, die von Null an beginnen und wir spüren eine gewisse Verschiebung in Richtung Metaframe und Terminal-Services. Die Kunden wollen auch im Dienstleistungsbereich Geld einsparen und wir spüren auch in unserem Umfeld eine Tendenz zurück zur Zentralisierung.
Es geht uns Also auch nach Y2K gut. Unsere Vielfältigkeit ist ein Vorteil, denn die Abteilungen geben sich gegenseitig Arbeit. Unser Dienstleistungsanteil am Umsatz beträgt etwa 30 Prozent, Tendenz steigend.
Hugenschmidt: Steffen Informatik ist Citrix-Spezialist. In diesem Fall sollte es Ihnen ja blendend gehen, Herr Oeschger?
Oeschger: Auch wenn die Frage provokativ ist: Die Antwort lautet ja. Wir sind reiner Infrastruktur-Anbieter und stehen als Firma wohl genau zwischen Glaronia und Red IT: Unsere Kunden haben 10 bis 500 Arbeitsplätze. Wir bauen Infrastruktur und Netzwerke vor allem im Bereich Citrix Metaframe. In den letzten zwei Jahren erlebten wir einen absoluten Boom! Wir hatten Schwierigkeiten die richtigen Leute zu finden, zudem die Anforderungen der SW-Hersteller immer grösser wurden.
Wir hatten noch nie einen so grossen Arbeitsvorrat wie heute. Reine Hardware-Roll-Outs mit wenig Dienstleistungen sind zurückgegangen. Da sind wir zum Teil aber selbst Schuld daran, weil wir den Firmen zentralisierte Lösungen verkauft haben. Neben Citrix haben wir noch einen kleinen Bereich Applikationsentwicklung. Da haben wir uns auf MS-Plattformen spezialisiert. In diesem Bereich ist die Nachfrage sehr gross und wir haben nach wie vor viel zuwenig Leute.
Wir haben einen Dienstleistungsanteil von etwa 35 Prozent des Umsatzes. Deshalb haben wir den «Digital Winter» nicht so sehr gespürt. Man kann zwar Investitionen verschieben, aber Dienstleistungen können sie nicht hinausschieben.
In den vergangenen zwei Jahren war für uns der Aufbau von Businesscare, unserem ASP, natürlich eine grosse Herausforderung. Da haben wir sehr viel Zeit investiert. Unterdessen ist Businesscare selbständig. Obwohl es in vielen Zeitungen ganz anders behauptet wird, ist die Nachfrage enorm. Wir machen kaum eine Offerte mehr, wo nicht mindestens der Preis für ASP nachgefragt worden ist. In den meisten Fällen müssen wir dann sagen, dass ASP für diesen Kunden noch nicht soweit ist, oder es sich für ihn nicht eignet. Aber das Interesse ist heute ganz klar vorhanden.

Mittner: In welchen Bereichen macht Ihr ASP?

Oeschger: In einem ersten Schritt machte Businesscare ASP als Outsourcing. Man nahm die Applikationen des Kunden zu sich und betrieb sie auf einer separaten Plattform. Das Paradebeispiel ist Radio 24. Das ist aber nicht das Ziel. Wir wollen Lösungen anbieten, die skalieren. Eine Applikation auf einer Serverfarm soll einer grossen Anzahl Kunden zur Verfügung gestellt werden. Wir haben die Lösung Europa3000, die jetzt ready ist und für die wir erste Kunden haben.

Hugenschmidt: Wie sieht der Dienstleistungsanteil bei Red IT aus?

Kleeb: Die ganze Gruppe hat ein Budget für 2001 von etwa 117 Mio. Umsatz. Etwa die Hälfte davon wird mit Hardware gemacht, die andere Hälfte sind Services und eigene Lizenzen, die vom Deckungsbeitrag her eine ähnliche Struktur haben wie Services. Der Mix wird in Zukunft so bleiben. Hardware ist auch immer ein Enabler für Services.
Mittner: Das gilt auch bei uns. Ohne Hardware können wir kein Geschäft machen, aber wir verdienen wenig oder nichts daran. Ohne Dienstleistungen zur Hardware könnten wir unser Geschäft gar nicht machen.


«Margenzerfall hat auch seine Vorteile»
Hugenschmidt: Das führt mich zum nächsten Stichwort: Marge. Jürg Schwarzenbach von Delec sagt, fallende Margen seien ein Naturgesetz. Man müsse sich einfach darauf einstellen...
Oeschger: Mit abnehmendem Dienstleistungsanteil nimmt klar die Marge ab. Produkte und Lösungen, die jeder anbieten kann, haben eine tiefe Marge. Im Citrix-Umfeld hat man durchaus gute Margen. Diese werden aber sinken, wenn Citrix an jeder Ecke verkauft wird.
Hugenschmidt: Ich habe mir sagen lassen, dass die Preiskämpfe auch im Citrix-Umfeld begonnen haben.
Oeschger: Das sind keine Preiskämpfe. Es gibt heute viele wenig qualifizierte Betriebe, die auch Citrix anbieten. Sie dimensionieren diese Lösungen aber schlecht. Wir mussten nach der Orbit letztes Jahr etwa 25 Firmen auditieren, die nicht funktionierende, schlecht geplante Citrix-Lösungen hatten. Das Problem ist, dass den Kunden so zu niedrige Kosten suggeriert werden. Der Kunde ist verunsichert, wenn ein Anbieter die Lösung für 500’000 Franken konzipiert, der andere für 300’000.

Hugenschmidt: Gehen Ihre Kunden in den Mediamarkt, Herr Mittner?

Mittner: Der Margenzerfall hat auch seine Vorteile. Wo es Marge hat, da findet sich immer ein Händler, der sie den Kunden weitergibt. Das hat sich gebessert, weil die Preise gar keinen Spielraum mehr zulassen.
Der Aufwand, Hardware zu verkaufen, ist heute geringer. Die Kunden verstehen viel besser, was sie brauchen und sie verstehen, dass wir keine Marge mehr haben. Es gibt aber auch noch Produkte, wo noch Marge drin liegt. Im Konkurrenzkampf muss ich diese vielleicht zum Teil dem Kunden weitergeben, aber ich Sage ihm dann auch, dass zum Preis noch Dienstleistungen dazukommen. Für uns sind Dienstleistungen je länger je wichtiger und Hardware der Türöffner. Unsere Kunden wollen die Services und wissen, dass sie mehr bezahlen müssen als im Mediamarkt.
Kleeb: Zusammenfassend kann man sagen, das Warengeschäft hat eine sinkende Margentendenz. Im Grosskundengeschäft gibt es einen enormen Druck auf VARs und Hersteller. Die Hersteller bringen sehr gute Angebote wie die «Golden Offers». Man kann nichts anderes machen als auf solchen Marketing-Wellen mitzureiten. Im Kleinkundengeschäft hat man dadurch überhaupt keinen Spielraum bei den Preisen mehr.
Eine andere Frage ist aber, mit welchem Aufwand Deckungsbeitrag erwirtschaftet werden kann. Schaut man es so an, kann auch eine tiefe, einstellige Marge interessant sein. Im Kleinkundengeschäft ist jeder Kunde individuell und es gibt immer wieder Kulanzleistungen. Das ist teuer.


Gemischtwarenladen oder Partnerschaften?
Eine interessante Diskussion entbrannte beim Vergleich der drei beteiligten Firmen. Klein, aber fein und in Partnernetzwerken eingebunden oder gross und vielfältig?
Kleeb: Wir haben ein vertikales Lösungsgeschäft, bei dem wir in klar definierte Branchen gehen. Dort wollen wir jeweils eine führende Rolle spielen. Dazu gehören E-Banking
Solution mit einer Privatbanken- und einer Brokerage-Lösung. Weitere Bereiche sind Lösungen für Heime (Domis), Treuhänder (Pebe) und für öffentliche Steuerverwaltungen. Dazu kommt das ERP-Angebot, wo wir das Pebe-Team mit dem Logiware-Team in einem Competence Center zusammenfassen.
Darunter liegen horizontale Ebenen, mit bestimmten Competence-Centern. Da gibt es den Bereich für «Single Point of Contact», Redstore mit Storage und High Availability, MS Windows Consulting, Red Net für ASP und Outsourcing und generelle Professional Services.
Hugenschmidt: Red IT hat ein sehr breites Spektrum und ist für die Schweiz relativ gross. Sind Sie fokussiert genug?
Kleeb: Was hat bei IBM ein PC mit einer AS/400 zu tun? Ab einer bestimmten Grösse kann man sehr wohl unterschiedliche Angebote führen. Eine gewisse Differenzierung schützt ein Unternehmen auch.
Unser Offering ist natürlich auch ein Abbild der Vergangenheit. Da werden wir in bestimmten Bereichen, z.B. Storage, mehr investieren. Andererseits waren bei uns PC-Roll-Outs 98/99 sehr wichtig. Das Geschäft interessiert uns immer noch. Dort wollen wir ernten, solange der Markt etwas her gibt.
Die Competence-Centers sind von der Grösse her wie kleine Unternehmen. Wir haben es in der Vergangenheit verpasst, gewisse Strukturen zu bereinigen. Im Moment richten wir das Marketing auf kleine Unternehmen im Unternehmen aus.
Wir werden in Zukunft Red IT als Gruppierung in den Vordergrund stellen. Ergänzend die Competence Centers wie Domis, Pebe, Redstore etc. Die Competence-Centers sollen als eigenständige Firmen agieren können.
Oeschger: Unser Ansatz ist anders. Wir wollen die vertikalen Bereiche nicht selbst aufbauen, sondern haben starke Partnerschaften zum Beispiel mit ISVs. Wir bauen für die Lösungsanbieter die Infrastrukturen. Es ist ein ähnliches Gebilde wie Red IT aber die Firmen sind völlig getrennt. Wir brauchen die Partner, um Business zu generieren.
Wie kann Red IT Synergien zwischen den verschiedenen Zweigen generieren?
Kleeb: Im Full-Service-Geschäft ist Kundennähe notwendig, dort braucht es eine Regionalisierung. Aber wir haben nicht in jeder Filiale das gleiche Offering. Frauenfeld ist z.B.
das Software-Center. Technologie-Leistungen werden nach Zug verlagert. Man kann, ausser Standard-HW-Services, nicht von jedem Standort aus alles machen.

Mittner: Eine schwierige Aufgabe!

Kleeb: Nicht grösser als bei Ihnen! Jedes Competence-Center hat seinen Kundenfokus und seine Bedürfnisse. Am Schluss sind es ähnliche Teams wie bei Ihnen. Dass sie zu einer Gruppierung gehören, tut eigentlich nichts zu Sache.

Hugenschmidt: Aber sie haben grosse Overhead-Kosten?

Kleeb: Die hat Glaronia auch. Wenn Herr Mittner die Lohnbuchhaltung macht, kann er dem Kunden auch nichts verrechnen. In Kleinfirmen sind die Overhead-Kosten einfach versteckt.
Oeschger: Wir haben uns Zusammenschlüsse auch überlegt und festgestellt, dass die Nachteile unter dem Strich überwiegen. Wir sahen zuwenig Sparpotential und zu grosse Risiken. Der Kunde und der Mitarbeiter könnte sich nicht mehr aufgehoben fühlen. Die Beziehung zum Kunden ist extrem wichtig.
Partnerschaften schützen uns. Wenn ein Partner mit seiner ERP-Lösung eine Flaute hat, gibt es vielleicht einen anderen, der das Business bringt. Ein gutes Beispiel sind zur Zeit Spitallösungen. Die sind ein riesiges Thema und wir sind sehr froh, bei der Infrastruktur dabei zu sein. In zwei/drei Jahren werden wir mit Spitälern vielleicht kein Umsatz mehr machen. Deshalb bin ich froh, um die verschiedenen Partnerschaften.
Ziegler: Red IT hat ein sehr breites Portfolio. Gleichzeitig sagt man, dass in der IT nur die zwei, drei führenden Anbieter überleben. Wie managen Sie Ihr Portfolio?
Kleeb: Grössere Unternehmen kaufen ‘best-of-the-market’-Leistungen ein. Der Anbieter, der die Server-Integration macht, muss nicht der gleiche sein, wie der Storage-Anbieter. Mittlere und kleinere Segmente wollen das Angebot aus einer Hand. Für die Kleinen gibt es Firmen wie Glaronia. Aber auch mittlere Firmen sind heute zum Teil schlicht überfordert, weil die Gesamtlösungen extrem komplex geworden sind. An diese mittleren Firmen hat noch keiner richtig gedacht.
Ziegler: Wie wird der mittlere VAR Also überleben? Mit Akquisitionen oder organisch wachsend oder in einem Netzwerk von losen Partnerschaften?
Kleeb: Es gibt verschiedene Strategien. Es gibt Nischenstrategien oder Massenstrategien. Man kann in einer Nische ein Keyplayer sein oder das Massengeschäft sehr effizient abwickeln.
Unsere vertikalen und horizontalen Geschäfte haben ganz verschiedene Charakter. Im Lösungsgeschäft haben sie sehr lange Kundenbindungen. Manchmal länger als wir wollen. Der Kunde hat eine alte Lösung und ist zufrieden damit. Er will keine neue aber bei uns laufen die Supportkosten davon. Das kann echte Probleme geben. Schon nur bei der Treuhandlösung unterstützen wir vier verschiedene Generationen, zum Teil noch auf proprietären Systemen. Der Kunde verschwendet nicht den geringsten Gedanken daran zu migrieren.
Ziegler: Dann ist der Leidensdruck mit Blick auf die Supportkosten beim Kunden einfach noch zu klein...


Kleebs Software-Visionen
Im Laufe des Roundtables lancierte Andreas Kleeb eine gewagte These, die wohl noch länger zu reden geben wird. Unabhängige Software-Hersteller werden sich, so Kleeb, mittelfristig einem der Dominatoren wie SAP, Sage oder Microsoft/Great Plains anhängen und für deren Plattform entwickeln müssen.
Kleeb: Ich bin überzeugt, dass Software-Herstellung in der Schweiz immer schwieriger werden wird. Der Markt ist in der Schweiz schlicht zu klein.
Oeschger: Es kommt darauf an, von welcher Software Sie reden. Wir programmieren Zusätze zu SAP und die Nachfrage ist sehr hoch.
Kleeb: Das widerspricht sich nicht. SAP ist ein de-fakto-Standard. Da entsteht ein Markt für Zusatz-Entwicklungen und Interfaces. Die Schweizer Software-Hersteller werden sich in Richtung Integrator bewegen. Sie werden vielleicht gewisse Zusatz- Module herstellen. SAP wird bei Grossfirmen dominieren. Bei Kleinfirmen müssen wir auf Sage achten, die machen einen guten Job. Sie kaufen in jedem Land Hersteller von Standard-Paketen zusammen.
Wer werden die Player im mittleren Umfeld sein? Navision macht einen guten Job in Europa und auch SAP will das mittlere Umfeld erobern. Im mittleren Umfeld wird es wenige Player geben, die Standard-Plattformen anbieten. Wir beobachten Microsoft und Great Plains mit wachen Augen. Microsoft will Fleisch an die .Net-Knochen bringen. Heute ist Great Plains in der Schweiz noch kein Player, aber Microsoft ist gezwungen im Applikationsbereich zu wachsen.
Was bedeutet das für Red IT? Wir denken, wir wollen eine Rolle in unseren spezifischen Branchen spielen. Wir werden in Zukunft Also branchenspezifische Lösungen und individuelle «Rucksäcke» aufgrund der kommenden Standard-Plattformen bauen. Es wird sich im mittleren Bereich das gleiche Business-Modell wie mit SAP im Grosskundenbereich entwickeln. Der Markt ruft nach Standards und Kontinuität.
Hugenschmidt: Also wird Pebe die eigenen Lösungen aufgeben?
Kleeb: In einer neuen Generation wollen wir unsere Software auf einem Standard-Frameset aufsetzen. Die Schweiz ist heute zu klein, um die Business-Logik, die Technologie und die Präsentation selber weiterzuentwickeln.
Mittner: Ich sehe nicht, dass Microsoft für eine Business-Lösung die nötige Kundennähe hat. Die Kunden für Finanzapplikationen haben eine grosse Nähe zu uns. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie zu einem Moloch wie Microsoft wechseln wollen.
Kleeb: Microsoft wird nicht direkt zum Kunden gehen. Sie werden das ausschliesslich über Partner machen.
Mittner: Haben Sie, Herr Kleeb, eine nahe Beziehung zu Microsoft? Mit Abacus oder Simultan kann man doch noch kommunizieren...
Oeschger: Wenn ein solcher Prozess eintritt, wird es extrem lange gehen. Die Bindung im ERP- oder CRM-Bereich zum Produkt ist sehr gross. Der Wechsel der Produkte ist sehr aufwendig.
Kleeb: Einverstanden. Wir sprechen über sehr lange Zyklen. Aber wenn sie heute einen grundsätzlich neuen Release planen, sind strategische Fragen zu beantworten. Wie tief wollen sie in der Business-Logik gehen?
Oeschger: Man darf sich nicht vorstellen, dass es in der Schweiz nur noch eine oder zwei Lösungen geben wird. Es wird immer wieder Nischenplayer geben. Die Bedürfnisse sind extrem breit. Der Kunde will seine Bedürfnisse nicht an die Lösungen anbieten.
Mittner: Hersteller wie Microsoft und HP werden immer grösser. Aber der Service wächst nicht mit. Man bekommt bei Problemen deprimierende Antworten. Ich hoffe auf eine Wende zurück zum Individuellen. Weg von der Masse, wo man dem Kunden völlig unbefriedigende Lösungen geben muss. Einzig die Preise werden interessanter.
Hugenschmidt: Wenn Herr Kleeb Recht hat, wird der Kunde nicht Great Plains sehen, sondern weiterhin Pebe. Aber die Grundtechnologie wird von Great Plains kommen.
Oeschger: Ich glaube nicht daran. Die Prozesse, die in einer ganz tiefen Ebene der Software definiert sind, sind bei den Kunden sehr unterschiedlich. Miracle hat versucht, eine Lösung zu bauen, die beliebig anpassbar ist und ist gescheitert.
Kleeb: Die Lösung ist nicht gescheitert. Miracle ist am zu kleinen Markt gescheitert.


Hersteller als Konkurrenz
Hugenschmidt: Wie merken Sie die Konkurrenz durch die Hersteller? Ich kann mir gut vorstellen, dass sie bei ihren Spitalkunden bald einmal Compaq mit den seinen smarten Verkäufern antreffen. Warum soll Compaq nicht auch Spitalsoftware, Infrastruktur, Server-Konsolidierung etc. anbieten?
Oeschger: Das kann für eine bestimmte Grösse von Kunden zutreffen. Aber die grossen Hersteller haben die falschen Strukturen, um einen kleineren oder mittleren Kunden zu bedienen. Es kann sein, dass die Hersteller sich an kleinere Kunden wenden, aber die US-Hersteller werden die KMU nicht bedienen können. Ich habe keine Angst.
Kleeb: Das sehe ich anders. Sicher wird eine IBM keinen Kunden mit 10 Arbeitsplätzen bedienen können und wollen. Aber sprechen wir über den Kunden mit 500 Arbeitsplätzen. Da sieht die Welt ganz anders aus. Bei Compaq zeigt man uns die schönen Folien mit den Top-50-Accounts. Aber draussen beim Kunden sieht es anders aus. Da sind sie genau in dem Segment, wo zum Beispiel auch Steffen Informatik ist. Das gilt für alle Hersteller. Sie wollen den Service-Anteil steigern und zwar nicht nur bei den Large-Accounts. Die US-Hersteller haben gute Leute im Metaframe-Umfeld. Man darf sie nicht unterschätzen.
Ich kritisiere, dass die Marketing-Botschaft gegenüber den Händlern nicht der Wirklichkeit entspricht. Wir hatten ein Meeting mit dem Compaq-Management. Dort hiess es, wenn wir in der Wüste einen Brunnen antreffen, dann nehmen wir halt einen Schluck. Ich habe das Gefühl, dass all die Techniker in der Wüste rumlaufen und an jedem Brunnen trinken.
Oeschger: Wir arbeiten schwerpunktmässig mit HP und IBM. Ich kann ihre Beobachtung nicht bestätigen. Wir werden unterstützt und bekommen Business von den Herstellern. Das geht bis zu 300 oder 400 Arbeitsplätzen.

Kleeb: Das kaufe ich Ihnen nicht ab!

Oeschger: Ich habe ein aktuelles Business mit 350 Units bei SAP laufen. Das Geschäft machen wir – es wurde vom Hersteller vermittelt. Die können gar nicht alle Geschäfte machen.

Mittner: Würde es Sie erstaunen, wenn es sich plötzlich doch ändern sollte?

Oeschger: Ich glaube nicht daran, dass man zentralisiert den Markt abdecken kann.
Mittner: Schon, aber ich glaube, dass die Hersteller sich die Rosinen herauspicken. Plug and Play funktioniert zwar noch nicht, aber was ist, wenn es denn einmal funktioniert?
Kleeb: Diese Entwicklung gibt es. Der Aufwand einen Server aufzusetzen ist heute wesentlich kleiner als noch vor fünf Jahren. Die Tendenz zum Plug and Play gibt es. Das Betriebssystem war eine Kernkompetenz. Die nächste Stufe der Standartisierung wird auch erreicht werden. Beim Beispiel UBS hat es Compaq zum ersten Mal geschafft, eine echte Artikel-Nummer für die UBS-PCs zu generieren. Das wird in Zukunft auch für kleinere Mengen möglich sein.
Und warum soll eine Swisscom nicht Firewalls liefern, konfigurieren und pro Monat verrechnen. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass gute Lösungen als «Packaged Solutions» daherkommen.
Oeschger: Diese Aussage stimmt sicher generell. Aber es gibt eine untere Kundengrösse, wo diese Angebote möglich sind. Das ist unsere Chance und diejenige von Herrn Mittner.
Mittner: Ja, aber man muss die Trends frühzeitig erkennen. Es ist ein Wettlauf. Compaq bündelt das Betriebssystem mit dem Server, was wiederum zu einer Margenerosion bei mir führt. Diese Trends gibt es.
Kleeb: Die börsenkotierten Hersteller sind zum Wachstum verdammt. In der Hardware-Herstellung kann nur noch ungenügende Marge generiert werden. Der Ausweg geht nur über Services und deshalb werden wir die Hersteller zunehmend als Konkurrenz antreffen. Ich sehe da nicht nur Compaq sondern genauso gut auch HP, IBM und Fujitsu Siemens.
Ziegler: Compaq ist wohl ein Spezialfall. Sie wollen mit Hochdruck vom Image als PC-Bauer wegkommen.
Kleeb: Compaq hat früher extrem nur Partnergeschäfte gemacht. IBM hat immer jeden Channel genutzt. Compaq hat jetzt die Herausforderung im Channel nichts zu verlieren und gleichzeitig mit den Services zu reüssieren.
Oeschger: Ich habe weniger Angst. Man kann die zentralisierten Strukturen nicht über alles stülpen. Zudem sind die Dienstleistungen, die die Hersteller heute anbieten, für mich auch wieder eine Chance. Ich kann die 7 mal 24 Support-Packs von HP verkaufen und kann damit zu Kunden, zum Beispiel ein Spital, wo ich vorher keine Chance hatte, weil ich diesen Service selber nicht aufbauen kann.
Kleeb: Wir haben 300 Leute und sind sozusagen eine Mini-Compaq, wenn wir auch keinen Wiederverkaufskanal haben. Was wir können, kann Compaq doch auch – der Techniker kommt ja nicht von Housten hierher. Das Beispiel von Herrn Oeschger zeigt doch, dass Services zur Commidity werden.


Die IT-Welt in zwei Jahren...
Hugenschmidt: Eine gewagte Frage zum Schluss. Wo werden Sie in zwei Jahren stehen?
Oeschger: Ich glaube nicht an massive Veränderungen. Wir werden vielleicht 35 Leute sein, Also zehn mehr. Wir werden etwa 40 Prozent Serviceanteil am Umsatz haben. Und der Anteil an ASP-Dienstleistungen wird zugenommen haben.

Hugenschmidt: Wird Metaframe dann noch eine so grosse Rolle für Sie spielen?

Oeschger: Der Trend wird anhalten. Im Q1 hat sich der Umsatz von Citrix in der Schweiz verdoppelt. Die bestehenden Installationen müssen unterhalten werden. Unser Dienstleistungsportfolio wird sich nicht gross ändern. Wo Businesscare 2003 steht, weiss ich nicht. Wir stehen erst ganz am Anfang der Entwicklung.
Mittner: Wir werden nicht viel mehr Leute als heute sein. Unser Markt ist die individuelle Betreuung des Kunden. Wir werden vielleicht eine Abteilung, den Internet-Teil, verkaufen. Die ASP-Lösungen werden bis dann noch nicht soweit sein. Wir werden Also unsere Abacus-Geschäfte weiterhin pflegen und allenfalls auch ausbauen. Der Dienstleistungsanteil mit Detaillösungen, wie E-Paper wird klar erhöht, da liegt unser Fokus. Wichtig ist mir, dass wir unsere Lebensqualität verbessern können.

Hugenschmidt: Und Red IT? 2003 mit 1000 Leuten?

Kleeb: Wir verstehen uns als eine Service Company. Weil wir im Service wachsen werden, werden wir wohl auch personell wachsen. Ich kann mir vorstellen, dass wir das eine oder andere Competence Center nicht mehr haben, sei es, dass die Nachfrage nicht mehr besteht, sei es, dass wir es veräussern konnten. Andererseits ist es möglich, dass weitere Competence Center entstanden sind. Ich glaube, dass wir eine erfolgversprechende Struktur mit den «Unternehmen im Unternehmen» haben. Ausserdem wollen wir unsere Aktivitäten im Government und E-Government verstärken.
Hugenschmidt: Eine gewagte Bitte: Können Sie, Herr Ziegler, uns aus der Vogelperspektive des Marktforschers etwas zur Zukunft der drei beteiligten Firmen sagen?
Ziegler: Wenn der Kunde sich heute für einen Partner entscheidet, so ist das Branchen- und Business-Know-how viel wichtiger als noch vor fünf Jahren. Wenn man dieses Know-how als USP (Unique selling proposition – die Red.) im Markt hat, kann man auch gegen die grossen Player, die jetzt in den Markt einbrechen, reüssieren. Glaronia hat einen loyalen und treuen Kundenstamm. Ich kann mir gut vorstellen, dass Glaronia organisch wachsen wird und profitabel bleibt. Spätestens im Jahr 2003 werden sie aber die ersten ASP-Kunden im Glarnerland haben.
Ich denke, dass das Portfolio von Red IT nicht mehr gleich aussehen wird, wie heute. Vor zwei Jahren hatte man Schlagwörter in den Medien, die heute verschwunden sind. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass sie bis 2003 wieder über Akquisitionen oder sogar ein Going Public nachdenken.
Ich denke, dass Sie Herr Oeschger im ASP-Markt ein wichtiger Player sein werden. Sie sind früh dabei und haben eine funktionierende Lösung. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass Sie bis 2003 das lose Partnernetzwerk, in dem Sie sich heute bewegen, festigen wollen, um die kritische Grösse zu erreichen.


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