Roger Brustios Karriereweg ist gepflastert mit mutigen Entscheidungen. Die letzte mutige Wahl, die er getroffen hat, war der Wechsel zu Amazon Web Services. Dort amtet er seit rund einem Jahr als Partner Development Manager – Public Sector für die Schweiz. Mutig war die neue Herausforderung insofern, dass er, der den Grossteil seiner Karriere – wie er selbst sagt – «nur Blech verkauft hat», mit 59 Jahren nun noch ein neues Geschäftsfeld kennenlernt.
Auch sein Karrierestart in der IT in jungen Jahren war ein mutiger Schritt. Nach einer Lehre zum Maschinenzeichner und Konstrukteur bei Sulzer, einem Wechsel zu einer kleinen Firma in Wetzikon im Bereich Apparatebau – «hier ist bei mir der Wunsch aufgekommen, mehr mit Menschen zu tun zu haben» – und seinem Start im Verkauf bei Pitney Bowes im Bereich Büromaschinen mit 25 Jahren – «das war eine harte Schule, ging es doch um Kaltakquise» – folgte er schliesslich einem Angebot aus der IT-Welt. «Eine Informatikausbildung im klassischen Sinne gab es damals noch nicht. Das Unternehmen Data General war daher auf der Suche nach Quereinsteigern für ein europäisches Trainingsprogramm», erinnert sich Roger Brustio. «Der Reiz des Neuen – IT war damals von aussen gesehen noch sehr exotisch –, eine amerikanische Firma und die Ausbildung von neun Monaten waren schliesslich ausschlaggebend dafür, dass ich mutig zugesagt habe.» Er habe sich aber schon reinknien müssen, auch weil die Ausbildung in Englisch war und das «war damals nicht unbedingt die erste Fremdsprache».
Hunger nach Innovation
Seither ist Roger Brustio der IT-Branche treu geblieben. «Die Branche ist erfrischend, dynamisch, hat ein unheimliches Tempo und eine hohe Innovationskraft.» Alles Aspekte, die er sehr zu schätzen weiss. «Innovation, höchste Qualitätsmassstäbe und Neugier sind der rote Faden, der sich durch meine Karriere zieht.» Denn Stillstand ist für ihn ein Graus. «Ich habe extrem Mühe mit Routine. Ich bin jemand, der gerne aktiv handelt, kreiert und gestaltet, zusammen mit Partnern und Kunden.» Er ist überzeugt davon, dass man sich seine Neugier und seinen Hunger bewahren muss, um vorwärts zu kommen.
Dieser Hunger nach Innovation hat Roger Brustio schliesslich auch dazu veranlasst, sich nach acht Jahren bei Data General – und ersten Schritten im Partnerumfeld – eine neue Herausforderung zu suchen. «Ich habe mir überlegt, was der nächste Schritt wäre und was noch drin liegt für mich. Bei Data General konnte man mir keine Perspektiven mehr aufzeigen.» So wechselte er mit knapp 30 Jahren zu Apple. «Dort habe ich den ganzen Weg vom Account Manager bis hin zum Country Manager für die Schweiz gemacht – frei nach dem Motto ‹Wer nicht wagt, der nicht gewinnt›.» Denn auch diesen Schritt haben Einige als mutig bezeichnet oder gar den Kopf geschüttelt, war Mitte der 90er-Jahre doch «die schlechteste Zeit» für Apple. «Aber ich habe es nie bereut. Man muss in anderen Dimensionen denken – grösser und langfristiger. Ich habe bei Apple eine gute Chance gesehen, mich weiterzuentwickeln.»
Nach gut elf Jahren und eher geringen weiteren Entwicklungschancen – schliesslich war er schon Schweizer Länderchef –, war Roger Brustio wieder reif für eine Veränderung. «Ich habe mir eine Auszeit genommen.» Während 1,5 Jahren bereiste er die Welt – Südostasien, die transsibirische Eisenbahn von Moskau bis nach Peking, China und Japan standen unter anderem auf dem Programm. «Das Reisen und andere Kulturen formen einen. Diese Zeit hat mich weitergebracht und war für mich eine Lebensschule.»
Der Kreis schliesst sich
Als der Ernst des Lebens wieder rief, wollte es der Zufall, dass EMC eine Stelle als Verkaufsleiter Channel und Midmarket offen hatte. «EMC hatte damals Data General gekauft und so schloss sich der Kreis wieder. Die Strukturen waren ähnlich, es war einfach alles viel grösser und dynamischer.» Als nach drei Jahren strukturelle Veränderungen geplant waren, stand für Roger Brustio erneut ein Wechsel an. «Ich wollte in einem stabilen Umfeld tätig sein, wo man längerfristig planen kann.» Nach einem Zwischenspiel im Bereich Storage bei HP erhielt er schliesslich die Chance, bei Lenovo den ganzen Consumer-Markt im Retail aufzubauen. «Ich konnte auf der grünen Wiese anfangen, Partner gewinnen und mit ihnen zusammen wachsen. Das hat Spass gemacht.» Nach ein paar Jahren sei es aber nur noch um jeden verkauften PC und somit verdienten Rappen und weniger um das Verfolgen einer Vision gegangen. Es wurde Zeit für seinen «hoffentlich letzten» mutigen Karriereschritt: den Wechsel zu AWS.
Golf, Autos und gute Freunde
Abseits des Berufs findet man Roger Brustio seit dem vergangenen Jahr auf dem Golfplatz. Eine weitere Leidenschaft, die ihn nach seiner Auszeit zwischen Apple und EMC nicht mehr losgelassen hat, ist das Reisen. So kommt es nicht von ungefähr, dass er in Kenia seit einigen Jahren ein Immobilienprojekt hat. Dazu gekommen sei er durch einen Freund, der ihm von seinem Projekt in Mombasa direkt am Yachthafen erzählt habe. «Und seither haben wir an der Diani Beach zwei Häuser mit Appartements, die wir vermieten.» Der Plan sei, nach seiner Pensionierung zwischen Kenia und der Schweiz hin- und herzupendeln, um dem kalten Schweizer Winter zu entfliehen.
Seine Passion für Autos lebt der 59-Jährige derweil auf der Rennstrecke durch Fahrerweiterbildungen aus. Es sei dazu gekommen, als ihm in seinen Zwanzigern jemand geraten habe, seine Leidenschaft für schnelles Fahren auf Rennstrecken zu kanalisieren. «Seither bin ich auf unterschiedlichen Rennstrecken in Europa unterwegs und absolviere Weiterbildungen, um mein fahrerisches Wissen auszubauen.»
In seiner Freizeit weiss der 59-Jährige zudem auch ein gutes Essen inklusive guten Weines mit engen Freunden zu schätzen. Auf diesen sehr engen Freundeskreis, auf den er zählen kann und umgekehrt, ist Roger Brustio denn auch besonders stolz. «Das ist nicht selbstverständlich und ist ein enorm wichtiges Gut», weiss er.
Roger Brustio
Roger Brustio hat einen Bruder und ist mit seiner Familie in Winterthur aufgewachsen. Nach der Lehre zum Maschinenzeichner und Konstrukteur bei Sulzer wechselte er zu einer kleinen Firma im Bereich Apparatebau, bevor er bei Pitney Bowes den Einstieg in den Verkauf fand. «Ich habe früh gemerkt, dass ich den Beruf als Maschinenzeichner mit Tusche, Bleistift und Transparentpapier nicht das ganze Leben machen und mehr mit Leuten zu tun haben will.» Den Einstieg in die IT fand er als Quereinsteiger bei Data General und hat seither in diversen Unternehmen wie Apple, EMC und Lenovo seine Fussspuren in der hiesigen IT-Branche hinterlassen. Seit Juni 2020 amtet der 59-Jährige nun als Partner Development Manager – Public Sector bei Amazon Web Services (AWS) in der Schweiz. Roger Brustio wohnt heute noch in Winterthur.
(abr)