«Swiss IT Reseller»: Bevor wir auf Ihre aktuelle Position zu sprechen kommen, erlauben Sie mir eine Frage zu Ihrer letzten Herausforderung: Wie schwierig ist der Job als Managing Director von Xerox Schweiz?
Andrej Golob: Die Herausforderung war eine komplett andere als sie es als CEO von
Alltron ist. Xerox bewegt sich in einem schrumpfenden Markt, und die Führungsaufgabe in einem schrumpfenden Markt hat einen ganz anderen Charakter und auch unschöne Seiten – da man eher etwas ab- anstatt aufbaut. Man ist täglich mit der Kostenthematik respektive der Reduktion derselben konfrontiert, und Erfolgsmomente sind seltener, weil sich alle um die wenigen Deals, die es am Markt gibt, streiten. In einem solchen Setting gilt es als Country Manager Wege zu finden, die Leute trotzdem motivieren und auf eine gute Art führen zu können. Das war zweifelsohne herausfordernd.
Und auch der Grund, warum Sie den Job nach knapp anderthalb Jahren wieder aufgegeben haben?Nein, das nicht. Mit dem Angebot, CEO von Alltron werden zu können, hat sich einfach eine Möglichkeit eröffnet, die ich nicht ausschlagen konnte, auch wenn der Zeitpunkt nicht optimal war. Denn wir waren bei Xerox auf einem guten Weg, den ich definitiv auch weiter hätte verfolgen wollen, wäre diese Vakanz nicht an mich herangetragen worden. Der Abschied bei Xerox fiel mit nicht leicht, doch die Position, die ich jetzt innehabe, ist für mich ein Traumjob.
Was macht die Position als Alltron-CEO denn zum Traumjob? Was hat Sie an der Aufgabe gereizt?Ein wesentlicher Faktor war die Möglichkeit, für ein Schweizer Unternehmen anstatt für einen internationalen Konzern tätig zu sein – mit kurzen Entscheidungswegen innerhalb der Unternehmensleitung und zum Verwaltungsrat. Überzeugt hat mich aber auch, wie sich die Competec-Gruppe, zu der Alltron gehört, in den letzten Jahren gewandelt hat und wie sich das Unternehmen ständig neu zu erfinden versucht und innovativ bezüglich dessen ist, wie es geführt und gelebt wird. Ebenfalls für Competec spricht zudem der Umgang innerhalb der Unternehmensleitung und ganz grundsätzlich die Kultur im Unternehmen. Und nicht zuletzt ist die Aufgabe darum spannend, weil
Alltron als Distributor verschiedenste Vertriebskanäle bedient – viele Retailer, die riesige und sehr kompetente Fachhändler-Landschaft, das Lösungsgeschäft über die VARs und auch Brack.ch. Diese verschiedenen Kanäle eröffnen zahlreiche Chancen, unser breites Sortiment spielen zu können. Das macht uns für Hersteller attraktiv, wodurch wiederum auch der Channel profitiert.
Sie haben die angenehme Zusammenarbeit auf Management-Ebene angesprochen. Wie präsent sind Competec-CEO Martin Lorenz und vor allem auch Inhaber Roland Brack?Roland Brack beschränkt sich auf seine Rolle als Verwaltungsratspräsident. Sein Spirit ist im Unternehmen nach wie vor präsent, er selbst aber versucht sich klar zurückzunehmen und mischt sich in keiner Weise ins operative Business ein. Mit Martin Lorenz tausche ich mich derweil praktisch täglich aus, und auch sonst ist der Austausch in der Unternehmensleitung sehr intensiv. Silodenken kennt man bei Competec nicht, vielmehr versucht man die gemeinsamen Möglichkeiten auszuloten, was ich enorm schätze.
Allerdings ist gerade die Verknüpfung von Alltron und Brack.ch – dieses Bedienen des direkten und indirekten Kanals aus derselben Gruppe hinaus – ein ständiges Thema im Channel. Wie ist Ihre Wahrnehmung diesbezüglich?Ich verstehe, dass das ein Thema im Channel ist. Gleichzeitig muss man aber sehen, dass auch die meisten Hersteller sowohl das direkte als auch das indirekte Geschäft verfolgen und das irgendwie managen müssen. Hier wie dort ist es dabei einfach wichtig, klare Regeln aufzustellen, diese Regeln fair einzuhalten und transparent zu sein. Gleichzeitig glaube ich, dass dieses hybride Modell im Fachhandel heute auch auf mehr Akzeptanz stösst als noch vor einigen Jahren. Denn auch der Fachhandel kauft mal bei Alltron ein, mal bei Digitec und mal bei Brack.ch – je nachdem, was für ihn gerade passt. Der ICT-Vertrieb ist nicht länger schwarzweiss, umso wichtiger sind klare Regeln und eine Differenzierung mit eigenen Dienstleistungen.
Inwieweit hatten Sie bereits die Möglichkeit, den Puls bei den Alltron-Händlern – Ihren Kunden also – zu spüren?Viel zu wenig, leider. Es ging seit meinem Start Anfang Februar vor allem darum, das Unternehmen und die Leute, die dafür tätig sind, kennenzulernen. Die Pandemie und damit verbunden Home Office machen dies nicht unbedingt einfacher, auch wenn der Austausch via Teams und Co. sehr gut funktioniert. In den ersten zehn Wochen war ich insgesamt drei Mal am Hauptsitz in Mägenwil, und ich freue mich darauf, wenn alles wieder etwas offener ist und ich unsere Partner persönlich treffen und kennenlernen kann.
Die Pandemie ist auch für einen Teil der Alltron-Händler nicht einfach zu bewältigen. Haben Sie Einblicke darin, welche Reseller mit der Situation besser klarkommen und wer mehr Mühe bekundet?Unsere Wachstumszahlen, die über die verschiedenen Segmente hinweg sehr unterschiedlich sind, lassen gewisse Rückschlüsse zu. Die Situation fürs stationäre Retail-Geschäft ist nicht einfach. Wir erleben weiterhin einen Shift zum Online-Kanal. Aus Gesprächen weiss ich zudem, dass die Reseller, die gute Beziehungen zu bestehenden grösseren Kunden unterhalten und quasi ihre Pipeline abarbeiten können, eher profitieren. Die Projekte laufen, unsere Zahlen belegen dies. Hingegen ist es für all die Händler, die in der jetzigen Zeit Neukunden akquirieren oder ihren Leistungskatalog anpassen müssen, enorm schwierig.
Welche Unterstützung kann Alltron in dieser Situation bieten?Wir versuchen natürlich, die Partner über unsere Vertriebsmannschaft und Marketingkampagnen zum Beispiel für Solutions zu unterstützen. Doch trotz aller Unterstützung darf man sich nichts vormachen: Jetzt Neukunden zu akquirieren ist nicht einfach.
Ihre Marketingleistungen sind ein gutes Stichwort. Beim Disti Award von «Swiss IT Reseller», den Alltron 2020 einmal mehr für sich entscheiden konnte, zeigen die Bewertungen, dass es vor allem bezüglich Unterstützung im Bereich Marketing und Verkauf noch Luft nach oben gibt. Gibt es hier Pläne bezüglich Optimierungen? Dürfen sich die Alltron-Reseller auf mehr Unterstützung freuen?Wir haben uns diese Bewertung – diese Rückmeldung aus dem Markt – natürlich genau angeschaut, und das Thema ist bei uns auf der Agenda. Wir wollen unsere Unterstützung bezüglich Vertrieb und Marketing verbessern. Im Lösungsgeschäft bauen wir die Vertriebsorganisation und die nötigen Kompetenzen weiter aus. Damit wollen wir noch besser bei der Kunden-Akquise und im Verkaufsprozess unterstützen. Unsere Leistungen im Demo-Center wachsen ständig weiter in Richtung Proof of Concept. Wir investieren auch in die Alltron Academy und beziehen anfangs 2022 neue, moderne Schulungsräume. Unser Telesales-Team führt gezielte Lead-Generation-Kampagnen in Kooperation mit ChannelPartnern durch. Sie sehen: Es tut sich einiges – und weitere Massnahmen werden folgen, denn der Anspruch, uns diesbezüglich zu verbessern, ist auf jeden Fall vorhanden.
Ein Punkt, den ich im Zusammenhang mit der Pandemie noch ansprechen möchte, sind die herrschenden Lieferengpässe. Können Sie aufzeigen, wo die Lage besonders kritisch ist und wie Sie als Distributor die Situation angehen?Die grösste Herausforderung ist die Unplanbarkeit – abzuschätzen, wann die Waren bei uns eintreffen, ist enorm schwierig. Wir begegnen dieser Tatsache so, dass wir seit Monaten schon unser Lager laufend ausbauen. Unser Lagerwert befindet sich auf Rekordhöhe, womit auch unser Risiko gestiegen ist. Doch das ist nötig, um die Verfügbarkeit so weit wie möglich gewährleisten zu können.
Lager ist erneut ein gutes Stichwort: Wie geht es mit dem Logistikausbau in Willisau voran?Sehr gut, wir sind auf Kurs und wollen bis Ende Mai oder Anfang Juni das Hochregallager auf 10’000 Quadratmetern Grundfläche mit 35’000 Palettenplätzen in Betrieb nehmen. Und es wird auch höchste Zeit für die zusätzlichen Kapazitäten. Ich war Anfang April – anlässlich einer zweitägigen, sehr spannenden Stage im Logistikzentrum – vor Ort, und im Moment platzen wir aus allen Nähten, eben weil wir das Lager aufgestockt haben und die Geschäfte sehr gut laufen.
Werden Ihre Händler direkt vom Ausbau profitieren können respektive Verbesserungen in der Zusammenarbeit spüren?Verfügbarkeit, der Service, oder auch die Verlässlichkeit der Lieferung und die Genauigkeit der Angaben sind Punkte, die
Alltron auszeichnen – was ja auch Ihr Disti Award Jahr für Jahr beweist. In den letzten zwölf Monaten haben diese Stärken aber teilweise etwas gelitten, weil wir am Limit operiert haben und uns effektiv die Kapazitäten fehlen. Mit dem Ausbau lautet unser Anspruch, diesbezüglich wieder auf das gewohnte Level zu kommen und künftig wieder mindestens so gut zu sein wie vor der Pandemie.
Ich würde gerne noch auf Ihr Sortiment zu sprechen kommen: Worauf wird Alltron 2021 fokussieren, was den Angebotsausbau angeht?Ausbaupotenzial sehen wir sicher im Non-ICT-Bereich – etwa rund um Themen wie E-Mobilität, Haustechnik oder Smart Home. Das sind Bereiche, die auch für den Channel Chancen beinhalten und interessant sein können, denn sie entwickeln sich zunehmend aus dem semi-professionellen ins professionelle Umfeld, von wo aus der Weg kurz ist zu Komplettlösungen. Daraus ergeben sich spannende Aufgaben für den Channel, die weit über das Liefern von Boxen hinausgeht – ich denke dabei etwa an Haustechniksysteme oder Multimedia-Installationen.
Doch sprechen Sie mit solchen Produkten nicht eine ganz andere Art von Händler abseits des klassischen ICT-Geschäfts an?Nicht zwingend. Solche Lösungen können auch für klassische IT-Fachhändler aus dem KMU-Umfeld sehr spannend sein. Denn wenn das KMU Ansprüche in den erwähnten Bereichen hat, ist der bestehende IT-Partner prädestiniert für die Beratung und Umsetzung. Er muss allerdings bereit sein, diese Chance auch zu nutzen.
Und wo plant Alltron im Bereich Dienstleistungen und Services Neuerungen in diesem Jahr?Aktuell liegt der Fokus auf der Fertigstellung des Erweiterungsbaus, was uns dann neue Möglichkeiten für weitere Services eröffnet. Denn man muss schon eingestehen, dass Alltron bezüglich Value Added Services noch nicht ganz so weit ist wie gewisse Mitbewerber. Das gilt es zu korrigieren.
Können Sie schon etwas konkreter sagen, was diesbezüglich angedacht ist?Dazu ist es noch zu früh. Wir sind aktuell mit der Ausarbeitung der Services beschäftigt, die wir anbieten wollen und die auch zu uns und zu unseren Partnern passen. Unser Ziel dabei lautet, nicht einfach eine Kopie der Services anzubieten, die andere Distributoren bereits offerieren. Wir wollen uns abheben mit Services, die innovativ sind und für die Schweiz respektive Schweizer Händler konzipiert wurden, denn das ist etwas, was uns auszeichnet. Dafür lassen wir uns aber genügend Zeit.
In welchen Bereichen sehen Sie für 2021 die grössten Wachstums-Chancen für Alltron und für die Händler von Alltron? Als Wachstumsmotor für Alltron fungiert derzeit das Fulfillment-Geschäft, getrieben von den E-Commerce-Händlern in der Schweiz, die ihre Ware über uns beziehen. Zusätzlich werden auch der Ausbau in der Value-Added-Distribution und im Lösungsgeschäft für Wachstum sowohl bei uns als auch bei unseren Channel-Partnern sorgen. Diese Bereiche haben wir in den letzten 18 Monaten bereits deutlich ausgebaut – etwa durch Competence Center in Bereichen wie Datacenter und IT-Security – und werden sie weiter ausbauen.
Und was können die Händler vom neuen Alltron-CEO erwarten? Welche Werte sind Ihnen wichtig?Integrität ist etwas, das man von mir immer erwarten kann. Verlässlichkeit und Vertrauen sind weitere Werte, die ich hochhalte – mir ist es wichtig, dass Alltron auch künftig als verlässlicher Partner ohne unerwartete, überraschende Wendungen auftritt. Genauso wichtig ist mir, dass das Unternehmen nicht stehen bleibt und die Chancen, die sich bieten, nutzt und sich weiterentwickelt. Dazu gehört nicht zuletzt auch das Thema Digitalisierung, das mich schon länger beschäftigt. Im Zusammenhang mit Alltron tangiert das etwa die permanente Weiterentwicklung unseres Onlineshops, den Service-Marktplatz oder die Entwicklung von Self-Service-Funktionen, die wir vorantreiben möchten.
(mw)
Andrej Golob
Andrej Golob amtet seit Februar dieses Jahres als CEO von Alltron. Davor war er knapp anderthalb Jahre als Schweiz-Chef und Verantwortlicher für das Business Development im DACH-Raum bei Xerox engagiert. Die längste Station seiner beruflichen Karriere war bei Hewlett-Packard, wo er unter anderem die Position des Country Managers Personal Systems Group Switzerland und danach die des Country Managers HP Services Switzerland besetzte. Nach einem dreijährigen Ausflug in HPs EMEA-Organisation wurde Golob 2011 CEO von Swisscom IT Services Workplace und danach Executive Vice President und Head of Solution Center Workplace & Collaboration bei Swisscom. Von 2015 bis 2017 war er CEO des UBS-Spin-offs Equatex, und Ende 2017 gründete er das Beratungsunternehmen Karldigital. Der 55-Jährige sitzt ausserdem im Verwaltungsrat von Raiffeisen sowie des Digitalisierungsnetzwerks Parato.